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Archiv-Artikel

Die gut organisierten Straßenkämpfer

Die Flughafenfreunde von der Icat glauben an ihre Mission: Zu zweit patroullieren sie vor den Bürgerämtern und überreden Passanten, fürs Volksbegehren zu unterschreiben. „Das is für mich hier’n Flughafen. Und nischt anderes“

Wer postiert sich Freitag in Steglitz? – „Klaus!“ Klaus winkt ab. „Horst?“ – „Nee, also …“ Joachim Kiau gibt nicht auf. Wie ein Feldherr steht er inmitten seines Trüppchens in der Empfangshalle des Flughafens Tempelhof, bebrillt und weißhaarig, die Einsatzplanung wie eine Feldkarte in der Hand. Kiau ist in Kampfeslaune. Die Bürgerinitiative „Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof“, kurz Icat, hat die 170.000 Unterschriften fast beisammen – ein Volksentscheid über den Erhalt des Flugbetriebes liegt greifbar nahe. „Aber dass Endziel sind 200.000 Unterschriften“, ruft Kiau. Zur Ermunterung richtet er die herzlichsten Grüße von Herrn Pflüger von der CDU aus.

Dass so viele Berliner das Volksbegehren für Tempelhof unterschrieben haben, ist auch Männern wie Joachim Kiau zu verdanken. Sie patroullieren seit Dezember in Zweiergrüppchen vor den Bürgerämtern, sprechen Passanten an und losten sie an die Unterschriftenlisten. Kiau, 61 Jahre, Frührentner aus Lichtenrade, kämpft seit zwei Jahren für den Flughafen. Er hat schon als Junge im GI-Club Tischtennis und Basketball gespielt und ist als Versicherungskaufmann oft in Tempelhof gestartet und gelandet. „Ich kann alles verkaufen, und hier muss ich mit Herzblut dabei sein.“

Wie jeden letzten Dienstag im Monat treffen sich die Vereinsmitglieder in den Räumen des verkehrspolitischen Informationsvereins im Flughafen Tempelhof. 30 von 1.250 Mitgliedern sind diesmal versammelt, die meisten männlich, einige Frauen, viele jenseits der 50. Sie wohnen in Spandau, in Zehlendorf und in Schöneberg, sie tragen feste Schuhe und dicke Jacken.

„Wir sehen so ruppig aus, weil wir gerade von der Straße kommen“, erklärt Klaus Kießling, pensionierter Bauingeneur aus Spandau. Er stand heute in Reinickendorf. Warum er für den Erhalt des Flughafens sei? „Wenn ick da oben steh“ – Kießling deutet zum Flughafencasino – „und gucke, was das hier is, dann is das für mich hier’n Flughafen. Und nischt anderes.“ Der Glaskasten mit Nachnutzungsvorschlägen, den Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer von der SPD zu Beginn des Volksbegehrens in der Eingangshalle aufstellen ließ, ist für Kießling ein Symbol für die Planlosigkeit des rot-roten Senats. „Das sind ja nobelpreisverdächtige Ideen“, höhnt er mit Blick auf die Schautafeln. „Aber erst mal schließen wollen. Dit wird doch alles verkommen und kostet dann Milliarden.“ Fast 200 Unterschriften hat Kießling an diesem Tag für Tempelhof gewonnen.

Bei Joachim Kiau lief es nicht ganz so gut. Gerade mal 48 Menschen haben sich in Marzahn überreden lassen. „Für den Osten brauchste 10 Leute und mehr. Da musste richtig ausschwärmen und die Passanten einkreisen“, sagt Kiau. Hätte er mehr Leute, ja dann könnte er auch den Osten stabilisieren. Er springt auf und will Flugblätter verteilen, sein Nachbar zückt eine Trillerpfeife und pfeift ihn zur Ordnung. Die Icat ist vor allem in den westlichen Bezirken erfolgreich: Tempelhof, Lichtenrade, Zehlendorf. Oft wird den Icat-Aktivisten deshalb vorgeworfen, sie wollten den Flughafen als Erinnerung an glorreiche Westberliner Zeiten erhalten.

Ein Problem, dessen sich Icat-Vorsitzender Andreas Peter durchaus bewusst ist. „Wir werden die Diskussion künftig versachlichen, es wird keine Rückbesinnung mehr auf die Luftbrücke geben“, kündigt er an. Der Unterschied zwischen dem Geschäftsmann und dem Fußvolk der Icat fällt ins Auge. Der Chef der Fluggesellschaft Bizair hat nichts Eiferndes, sondern strahlt eine beruhigende Mischung aus freundlicher Verbindlichkeit und Erfolg aus.

Für Fluggesellschaften wie die Bizair oder Windrose, die die Icat unterstützen, ist Tempelhof eine ideale Basis für ihr Wirtschaftsfeld Geschäftsflüge. Bernhard Liscutin, der den Verein 1995 gründete, schwebt sogar ein Verkehrsflughafen Tempelhof vor mit 60.000 Starts und Landungen pro Jahr. Für den pensionierten Manager der Fluglinie Sabena verkörpert das riesige Gebäude all seine marktstrategischen Ideen – eine logistische Einheit von Service und Abfertigung.

Carmen Martinek denkt schlichter. Für sie sei alles, was mit Fliegen zusammenhängt, interessant. Die gebürtige Österreicherin ist zurzeit arbeitslos und hat daher Zeit, für das Volksbegehren zu werben. „Es wäre doch schade, wenn die ganze Infrastruktur hier verkommt.“ Das goldene Flugzeug der Flughafenfreunde trägt sie als Brosche an ihrem karierten Pullover. Die kleine rundliche Frau „ist auch mal vor dem Bürgeramt in Lichtenberg gestanden“, wo sie wohnt. Dort hätten aber höchstens 6 Leute angehalten.

Genau das habe er prophezeit, sagt Thomas Böhme. Er ist gebürtiger Freiberger und kennt die Ostler. „Die meisten halten nichts davon, sich für etwas einzusetzen.“ Er selbst ist eine Ausnahme, schon 1980 ist er rüber in den Westen und ist außerdem selbst Pilot. Er startet und landet mit seiner Cesna in Tempelhof. Seit 10 Jahren ist er Vereinsmitglied. Sein Handy ertönt, die Tempelhofhymne „Hände weg! Von Tempelhof“, komponiert von Gunter Gabriel, erklingt. Böhme ist ein wandelndes Call-Center, die Hotline ist außerhalb der Bürozeiten auf sein Handy umgestellt. Etwa 30 bis 40 Anrufe bekomme er pro Tag, sagt Böhme, von halb sechs morgens bis abends um elf klingelt es. „Einer muss es machen, und als freiberuflicher Informatiker kann ich neben der Arbeit am Computer auch telefonieren“, sagt er und lächelt. „Ja, wenn es ein funktionierendes Konzept in diesem Glaskasten gäbe“, er zeigt zum Showsalon. Dann würde er sich vielleicht nicht so reinhängen.ANNA LEHMANN

www.flughafen-berlin-tempelhof.de