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Archiv-Artikel

Untergrund übernimmt die Führung

Sie organisiert nicht nur das alljährliche Kurzfilmfestival in Hamburg, sondern arbeitet auch als Verleih und Vertrieb. Nun bekommt die Kurzfilmagentur Hamburg eine neue Chefin: die Filmemacherin Alexandra Gramatke

Von WIE

Die Gerüchte schwirrten schon einige Zeit durch die Luft. Nein, es sei noch nicht spruchreif, hieß es erst, aber seit gestern ist es offiziell: Die Kurzfilmagentur Hamburg hat eine neue Leiterin, Alexandra Gramatke.

Bisher ist die Kurzfilmagentur als eine Adresse bekannt, bei der auch ästhetisch ambitionierte Filme eine Chance bekommen. Gerne werden die dann beim Internationalen Kurzfilmfestival Hamburg gezeigt, auf dem sich jedes Jahr die Cineasten treffen. Die Filme dürfen aber auch gerne knallen, und Mainstream ist nicht verboten – die Agentur ist auch ein Filmverleih und -vertrieb, und irgendwoher muss das Geld ja kommen.

Alexandra Gramatke nun kommt von der Thede, einem Filmkollektiv, das in Hamburg eine Institution des dokumentarischen Untergrund-Kinos war. Zur Thede gehören Filmemacher wie Christian Bau, der sehr viele Filme über die Hamburger Filmszene und die Schickisierung seines Stadtteils Altona gemacht hat. Oder Jens Huckeriede, der mit seinem Film „The Return of the Tüdelband“ die Geschichte der Gebrüder Wolf verfolgt, die in Hamburg als Volksmusiker auftraten, bis sie vor den Nazis emigrieren mussten. Ihr Urenkel Dan macht HipHop und der Film zeigt, wie er sich auf die Spurensuche macht.

Alexandra Gramatke stieß nach ihrem Literaturstudium zur Thede, wo sie 1994 als Aufnahmeleiterin bei der Produktion von „Rote Nelke – Eine Krankenstation für Tschernobyl“ begann. Ihre eigenen Arbeiten tragen Titel wie „Dynamo Kiew – Legende einer Fußballmannschaft“ oder „Duell auf dem Eis“, in Letzterem geht es um die Systemkonkurrenz zwischen dem deutschen Eislauf-Traumpaar Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler und ihren sowjetischen Konkurrenten Ludmilla Belousova und Oleg Protopopov.

Ein bisschen sieht das nach künstlerisch wertvollem Minderheitenprogramm aus, und man könnte sich fragen, ob die Kurzfilmagentur mit der Wahl Gramatkes einen sachten Kurswechsel in diese Richtung vorbereitet, im Interesse womöglich der Filmemacher, die sie als Vertrieb und Verleih vertritt.

So klar sagt das aber derzeit niemand. „Ich finde es wichtig, dass der künstlerische Anspruch erhalten bleibt“, hält sich Gramatke bedeckt. Zum Glück gebe es immer auch Filme, die gut seien „und trotzdem erfolgreich“. Außerdem seien nicht wenige der Thede-Filme im Fernsehen gelaufen, mit den dortigen Redakteuren kenne sie sich also schon mal aus.

Auch beim Vorstand der Kurzfilmagentur sieht man keine Probleme. „Bei uns im Verleih gibt es auch viele Filme, die nicht so marktkonform sind“, sagt Vorstandsmitglied und NDR-Journalist Nicolai Kwasniewski. Es sei halt „immer ein Balanceakt“. WIE