: Brautschau in Hamburg
Wer mit wem? Nach der Bürgerschaftswahl stellt sich die Koalitionsfrage. Während eine Ampelkoalition oder ein schwarz-gelbes Bündnis wohl keine Mehrheit bekommen, kann die CDU zwischen dem grünen und dem roten Partner wählen
VON MARCO CARINI UND JAN KAHLCKE
Er habe „keine Priorität“, mit wem die CDU „zuerst sprechen werde“, erklärte ein sichtlich zufriedener Ole von Beust. Die Frage ob eine große Koalition oder ein schwarz-grünes Bündnis Hamburg regiert, ist nach dem Wahlabend offen. „Es steht fünfzig zu fünfzig“, glaubt auch ein führender Sozialdemokrat. Klar ist damit am Wahlabend nur zweierlei: Der alte und neue Bürgermeister heißt Ole von Beust und seine CDU ist in Zukunft auf einen Partner angewiesen.
Von Beust sprach – trotz Verlusten von mehr als vier Prozent für die CDU – von einem „hervorragenden Ergebnis“ für seine Partei. Er habe damit einen „klaren Führungs- und Regierungsauftrag vom Wähler bekommen“. Von Beust kündigte schnelle Gespräche sowohl mit der SPD als auch mit den Hamburger Grünen der Grün-Alternativen Liste (GAL) an, um „zügig zu einer Regierungsbildung zu kommen“.
Während die CDU sich als Wahlsieger feierte, leckten die Sozialdemokraten trotz Stimmenzugewinn ihre Wunden. Der Schuldige war schnell ausgemacht: Nicht nur hinter vorgehaltener Hand fiel mehr als einmal der Name Kurt Beck. „Das falsche Wort zur falschen Zeit“, so SPD-Landeschef Ingo Egloff, habe der Sozialdemokratie entscheidende Stimmen gekostet. Ex-SPD-Bürgermeister Henning Voscherau sagte, ohne die von dem SPD-Chef zur Unzeit angezettelte rot-rote Debatte hätte seine Partei ein Wahlergebnis zwischen „36 und 37 Prozent bekommen“. „Der Frust an der Basis ist riesig“, sagte ein führender Hamburger SPD-Abgeordneter. „An der Hamburger SPD-Basis wird niemand Kurt Beck-Plakate kleben, wenn er unser nächster Kanzlerkandidat wird.“
Gute Miene zum bösen Spiel machte allein SPD-Herausforderer Michael Naumann, der sich offiziell zufrieden zeigte, „dass die SPD die Volkspartei sei, die deutlich hinzugewonnen habe“. Die Schuld an dem mäßigen SPD-Ergebnis gab er der Materialschlacht des CDU-Wahlkampfes, die sich „die SPD habe nicht leisten können“ und einem „komplizierten Wahlrecht“, das viele Menschen abgeschreckt habe, überhaupt an der Wahl teilzunehmen. SPD-Fraktionschef Michael Neumann stellte klar, dass sich seine Partei Gesprächen über eine Regierungsbildung „nicht verweigern“ werde. Das Gelingen solcher Verhandlungen sei vor allem davon abhängig, „ob sich die CDU in der sozialen Frage bewegt“. Unterdessen bremste der SPD-Landesvorsitzende Ingo Egloff rot-schwarze Hoffnungen: „Der Glaubwürdigkeitsverlust in einer solchen Konstellation wäre groß.“
Noch reservierter reagierten die Grünen auf Koalitionsspekulationen. Bürgerschafts-Fraktionschefin Christa Goetsch erklärte, die Partei werde sich natürlich „Gesprächen mit der CDU nicht verschließen“, betonte aber zugleich, sie sehe „nur geringe Schnittmengen mit der CDU“. Die Landesvorsitzende Anja Hajduk wollte die Frage nach Schwarz-Grün auch am Wahlabend ausdrücklich „nicht beantworten“. Die GAL werde erst einmal „das Ergebnis abwarten und dann intern diskutieren“.
Der schwarze Peter liegt damit bei den Grünen, mit denen von Beust vor der Wahl heftig geflirtet hatte. „Da ist jetzt der Teufel los“, übte sich Henning Voscherau in Schadenfreude. Ver.di-Chef Wolfgang Rose, der für die SPD in die Bürgerschaft einzieht, sagte: „Die Frage einer Zustimmung für den Bau des geplanten Kohlekraftwerks Moorburg wird zu einem massiven grünen Glaubwürdigkeitsproblem werden.“
Das in der vergangene Woche viel diskutierte rot-rot-grüne Bündnis stand am Wahlabend nur noch für Die Linke zur Debatte, deren Spitzenkandidatin Dora Heyenn sich zufrieden zeigte, „dass wir klar in die Bürgerschaft eingezogen sind“. Linken-Parteivorstand Berno Schuckart kündigte gegenüber der taz an, in der Bürgerschaft eine Initiative zu starten, Ole von Beust als Bürgermeister abzuwählen: „Das war eines unserer Wahlziele und wir haben die rechnerische Mehrheit dafür.“ Michael Naumann hingegen betonte erneut, er werde sich „mit den Stimmen der Linken nicht zum Bürgermeister wählen lassen“.
Unsicherheit darüber, ob er sich nun zu den Wahlsiegern oder -verlierer zählen könne, plagte den gesamten Abend FDP-Spitzenkandidat Hinnerk Fock. „Zitterte“ der Elbliberale zunächst noch „optimistisch“, ob es zu einem Einzug seiner Partei in die Bürgerschaft gereicht habe, räumte er am späteren Abend ein, „es habe wohl nicht gereicht“. Da die FDP in den Koalitionsspielchen keine Rolle spielt, blieb das Interesse an Focks Gemütszuständen begrenzt.