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Archiv-Artikel

Falle Frauenberuf

„Ich bin mehr wert“: Unter diesem Motto fordert der Gewerkschaftsbund gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Noch verdienen Männer fast ein Viertel mehr. Grund dafür sind schlecht bezahlte Frauenberufe und traditionelle Rollenverteilung

von ANNA-LENA WOLFF

Bankkauffrauen könnten ihr monatliches Einkommen durch eine Geschlechtsumwandlung um rund 700 Euro erhöhen, Großhandelskauffrauen bringt der operative Eingriff immerhin etwa 500 Euro mehr in die Haushaltskasse. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung der Hans-Böckler-Stiftung, die immense Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen feststellte. Obwohl der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen kontinuierlich sinkt, liegt er europaweit nach wie vor bei rund 15 Prozent, in Deutschland sind es sogar 22 Prozent. So erhielten in Hamburg weibliche Angestellte im Handel, Kredit- und Versicherungswesen 2006 3.159 Euro brutto, ihre männlichen Kollegen hingegen 4.259 Euro. Arbeiterinnen im produzierenden Gewerbe verdienen in der Hansestadt rund 700 Euro weniger als Männer in der gleichen Position.

Deswegen fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit seiner diesjährigen Kampagne zum Frauentag „Ich bin mehr wert“ gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit: Die frauenpolitische Sprecherin des DGB Hamburg, Petra Heese, verweist auf einen Fall, bei dem in einer Hamburger Firma Männer und Frauen bei gleicher Tätigkeit nach unterschiedlichen Tarifgruppen bezahlt wurden. Solche klaren Beispiele sind allerdings selten, meist sind die Gründe für die niedrigere Entlohnung von Frauen komplizierter.

„Oft wird die geringere Bezahlung von Frauen mit den unterschiedlichen Erwerbsbiographien begründet“, sagt Heese. Das heißt, einfach gesagt, Männer zeugen Kinder und Frauen ziehen sie groß, denn die Elternzeit wird nur sehr selten von Vätern in Anspruch genommen. „Wenn mehr Männer in Elternzeit gehen und selber merken würden, mit welchen Schwierigkeiten sie bei einem beruflichen Wiedereinstieg konfrontiert sind, würde das Thema wohl auch mehr diskutiert werden“, sagt Heese. Noch immer wird die Frau oft nur als Mutter und Dazuverdienerin betrachtet. Mit zunehmendem Alter arbeiten Frauen außerdem häufiger Teilzeit, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Dementsprechend ist es für sie schwierig, Führungspositionen zu übernehmen und in höhere Gehaltsklassen aufzusteigen.

Einer der wichtigsten Faktoren ist allerdings nur sekundär mit dem Kinderwunsch verbunden: die so genannten Frauenberufe, zu denen vor allem soziale und dienstleisterische Tätigkeiten gehören, werden traditionell schlechter bezahlt. Im Gesundheitswesen waren beispielsweise Ende 2005 rund 70 Prozent der Beschäftigten Frauen. „Es herrscht eine starke Diskrepanz zwischen dem Stellenwert, den Bildung und Erziehung heutzutage theoretisch in der Gesellschaft einnehmen, und der realen Bezahlung der Beschäftigten“, sagt Petra Heese.

Der DGB sieht die Lösung des Problems in neuen Tarifverhandlungen. Das ist angesichts der historisch gewachsenen Vergütungssysteme allerdings nicht gerade einfach. „Wir müssen endlich genauer hinschauen, welches Merkmal zu welcher Bezahlung führt“, sagt Heese. Die nötigen Verfahren der Arbeitsbewertung gibt es schon lange. Doch die wurden bislang kaum angewendet. „Die Männer haben Angst, nach den neuen Einstufungen geringer entlohnt zu werden“, meint Petra Heese.

Dass allerdings Tarifverhandlungen allein das Problem nicht lösen können, ist ihr bewusst. Denn die Grundlage für eine schlechtere Bezahlung schaffen viele Frauen schon sehr früh selbst durch ihre Berufs- und Studienwahl. So haben rund 55 Prozent der jungen Frauen 2006 eine Ausbildung in nur 10 von insgesamt 346 anerkannten Ausbildungsberufen begonnen, bei den Männern haben sich nur etwa 35 Prozent für einen der Top Ten Männerberufe entschieden.

„Eine unserer herausragendsten Forderungen geht deshalb in Richtung Politik. Man muss bereits kurz nach der Grundschule beginnen, die Schülerinnen über berufliche Möglichkeiten zu informieren und neben dem Girls` Day über weitere Angebote dieser Art nachdenken“, fordert Heese.