: Hilfe für Hungernde gefährdet
Das Welternährungsprogramm schlägt Alarm: Um die Versorgung in Krisengebieten zu erhalten, fehlen 500 Millionen Euro. Das Bundesentwicklungsministerium stockt auf – um 3 Millionen Euro
Afghanistan wartet nach Angaben von Hilfsorganisationen bisher vergeblich auf zugesagte Hilfsgelder in Höhe von rund 10 Milliarden Dollar. So heißt es in einem neuen Report des ACBAR-Dachverbands der 94 in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen. Von den zugesagten 25 Milliarden Dollar seien nur 15 Milliarden angekommen. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 hatte die internationale Gemeinschaft dem Land 25 Milliarden Dollar zugesagt. Die Regierung in Kabul bestreitet dem Bericht zufolge heute rund 90 Prozent der öffentlichen Ausgaben aus Spendengeldern. Die USA als größte Spendernation hätten bislang erst rund die Hälfte der von ihnen zugesagten 10,4 Milliarden Dollar gezahlt, die EU und Deutschland weniger als zwei Drittel der versprochenen 1,7 beziehungsweise 1,2 Milliarden Dollar. Rund 40 Prozent der Gelder flössen ohnehin durch Unternehmensgewinne und Beraterkosten an die reichen Nationen zurück.
AUS BERLIN CHRISTINE ZEINER
Aus der Bitte wurde Flehen: Weil dem UN-Welternährungsprogramm das Geld ausgeht, appelliert dessen Direktorin nun in einem Brief „eindringlich“ an die Geberländer, „so großzügig wie möglich zu sein“. 500 Millionen Euro fehlen laut dem Schreiben Josette Sheerans, um den bisherigen Standard beizubehalten. Erst vor einem Monat hatte sie darauf hingewiesen, dass der Hilfsorganisation weniger Lebensmittel zur Verfügung stünden. Denn Getreide ist im vergangenen Jahr durchschnittlich um 40 Prozent teurer geworden. Die Lebensmittelrationen für Bedürftige müssten „in Kürze“ rationiert werden, drohte Sheeran.
Am Mittwoch reagierte das Bundesentwicklungsministerium (BMZ): Sie wolle den jährlichen Grundbetrag von 23 Millionen Euro in diesem Jahr um 3 Millionen Euro aufstocken, kündigte Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) dem Welternährungsprogramm (World Food Programm – WFP) an. „Wir hoffen, dass andere Geber unserem Beispiel folgen werden.“
Bislang waren lediglich Schauspieler dem Hilferuf aus Genf gefolgt: Sie seien „stolz“, zur Fortsetzung dieses wichtigen Programms beizutragen, hatten George Clooney, Matt Damon und Brad Pitt kürzlich erklärt und dem WFP für Darfur 500.000 Euro überwiesen. Ob auch andere Regierungen ihre Mittel erhöhen, ist dagegen unklar. Fest steht jedenfalls, dass der größte Geldgeber, die USA, für das WFP im Haushalt 2008 nur noch 1,2 Milliarden US-Dollar vorgesehen haben – nachdem sie in den Jahren zuvor rund 2 Milliarden Dollar gezahlt hatten.
Die USA werden zudem weniger Getreide liefern. Denn ein Gutteil der Spenden für das WFP sind Naturalien, die US-Farmern abgekauft werden – und die Preise dafür sind deutlich gestiegen, nicht zuletzt deshalb, weil auch in den USA immer mehr Ackerflächen für die Agrospritproduktion genutzt werden.
Die Praxis von Geberländern, nur eigene Überschüsse zu spenden, kritisieren Entwicklungsorganisationen immer wieder. Dabei ist das WFP unter anderem deshalb 1961 gegründet worden.
Deutschland zählt zu jenen 100 Staaten, die anders als die USA ausschließlich Geld zahlen. Das BMZ vertritt die Ansicht, dass Getreide vor allem lokal gekauft werden sollte, um die Wirtschaft in den von Katastrophen betroffenen Regionen zu unterstützen. Das kann aber auch seine Tücken haben: Denn wenn es schon Nahrungsmittelknappheit gibt, können Einkäufe vor Ort die Preise weiter in die Höhe treiben. Dann müsse der Einkaufsrahmen eben auf die ganze Region erweitert werden, heißt es aus dem Ministerium.
Die Nahrungsmittelhilfe an sich hält das BMZ jedenfalls für „wichtig“. Und eine UN-Organisation sei wegen ihrer „Neutralität“ besonders dafür geeignet, Menschen in Krisenregionen zu helfen. Dass sich das WFP nicht dafür starkmacht, an strukturelle Ursachen des Hungers wie internationale Handelsbedingungen, Landverteilung oder Korruption zu erinnern, sei nachvollziehbar: Dafür gebe es die Arbeitsteilung mit der UN-Organisation für Welternährung, der FAO. Während das WFP auf akute Notsituationen reagiere, gehörten die längerfristige landwirtschaftliche Entwicklung und Produktionsverbesserungen zu den Aufgaben der FAO.