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Archiv-Artikel

„Jetzt geht es richtig los“

Interview mit Jürgen Lüthge, dem früheren Bau-Staatsrat und heutigen Geschäftsführer der Baugesellschaft Brebau, über die Investitionsprojekte im weiteren City-Bereich

Interview Klaus Wolschner

taz: Herr Lüthge, Radio Bremen ist ins Faulenquartier umgezogen, die Volkshochschule ist da – ist schon eine Belebung dieser Problemzone Faulenstraße spürbar?

Jürgen Lüthge: Eine deutliche Belebung. Wir haben aber zwei gegenläufige Tendenzen. Der Einzelhandel ist wegen der gesunkenen Kaufkraft geschwächt. Wenn wir weiter versucht hätten, das Faulenquartier mit Einzelhandel zu beleben, dann wären wir in die Abseitsfalle gelaufen. Radio Bremen ist da, dadurch haben wir einen ganzen Schwung von laufenden Besuchern, Berufsbesucher, die da arbeiten, ausschwärmen, Kontakte haben. Und die Volkshochschule ist da mit ihrer großen Kundschaft, die aus allen Stadteilen kommt. Ich freue mich richtig darüber, ich habe mein Büro in der Brebau ja nur wenige Meter entfernt und bin Fußgänger. Ich kann sagen: Das merkt man. Und das Image hat sich geändert. Vorher war es in der Gefahr, ein Luder-Quartier zu werden, und jetzt sprießt es an allen Ecken und Enden. Die Jugendherberge ist neu, das Hotel Überfluss, die Restaurants an der Schlachte-Verlängerung. Das ist ein Viertel geworden, in das man gerne geht.

Trotzdem kann das alte Kaufhaus Leffers jetzt für eine große Kulturveranstaltung genutzt werden, weil es seit Monaten leer steht. Tote Hose.

Das ist so. Wir haben die großen Einkaufzentren auf der grünen Wiese, in der Innenstadt konzentriert es sich auf einen kleinen Kreis, der inzwischen sehr attraktiv gestaltet ist. Alles, was 500 Meter vom Rathaus weg ist, gerät in eine Randlage. Wir wissen seit Jahren, dass es keinen Zweck hat, im Faulenquartier auf Einzelhandel zu setzen. Die große Brill-Kreuzung, ob man es will oder nicht, markiert die Grenze.

Die alte Kaufhalle, heute Ihre Baustelle „Brillissimo“, liegt genau an dieser Ecke.

Wir haben von vorneherein nur einen kleinen Teil des Gebäudes für Einzelhandel ausgelegt, vor allem Erdgeschoss und erste Etage. Drei oder vier Etagen sollen Büro-Nutzung werden, und dann gibt es den Bereich des großen Wintergartens – das ist für die Kantine der Sparkasse. Mieter für die Bürobereiche waren ohne Probleme zu finden, die Nutzung des mittleren Bereiches ist klar, wir haben das Gebäude inzwischen an einen Fonds verkaufen können. Die haben das aber nicht gekauft wegen der Einzelhandels-Perspektiven, sondern wegen der guten Bonität des Nutzers Sparkasse.

Die Gestaltung des Gastronomie-Bereiches ist ja sehr luftig, großzügig.

Wir haben einen Architektur-Wettbewerb gehabt, mit Grüntuch und Ernst hat ein sehr stark in Deutschland auftretendes Büro gewonnen, die sind mit unserem Projekt zur Biennale nach Venedig gegangen. Thema im deutschen Pavillon war da die Umnutzung bestehender Gebäude.

Dieser Kreuzungsbereich ist ja ein großer Luftraum, und wenn man sich vom Faulenquartier der Innenstadt nähert, guckt man direkt auf dieses Haus. Wir haben daher gesagt: Wir gönnen uns als Investoren und der Stadt den Anblick dieses großzügigen, dreigeschossigen Wintergartens. Wir haben natürlich auch unter dieser Entscheidung gelitten. Anfangs hatten die Statiker uns gesagt, wir sparen dadurch bestimmte zusätzliche Gründungen, wenn die Gewichtsbelastung oben geringer ist. Das war dann am Ende doch nicht so, die großen Träger mussten doch verstärkt werden, daher auch der Bau-Verzug. Nicht umsonst fürchtet man als Bauherr den Altbau, das haben wir wieder erfahren.

Welchen Einzelhandel kann man für diese Ecke gewinnen?

Zum Beispiel Strauss Innovation ...

Was ist das?

Etwas sehr Originelles. Im Grunde ein altmodisches Kaufhaus, aber in modernem Gewand. Da kann man von einem leckeren Wein bis hin zu Möbeln, Süßwaren oder Kosmetika alles bekommen. „Lifestyle-Unternehmen“ nennen sie sich. Eine angenehme Atmosphäre, die machen europäisch Furore. Nahrungsmittel wollten wir auch haben, aber die haben ein Anlieferungs-Problem. Zwei Verträge stehen noch aus, über die darf ich noch nicht reden.

Was ist dann die Perspektive der Faulenstraße, wenn der Einzelhandel nicht über den Brill geht?

Lernen, Flanieren, Essen gehen, Journalisten von Radio Bremen bewundern. Vor dem Kriege war das Faulenquartier auch so, es gab sicherlich das große Kaufhaus Bamberger, wo heute die Volkshochschule sitzt, das war das große Kaufhaus Bremens. Aber es war auch immer ein Viertel, wo man arbeitet, lebte, ausging.

Nun werden in der Übersee-Stadt große Wohnprojekte angekündigt. Ist das nicht eine Konkurrenz zum Faulenquartier?

Ich freue mich riesig über diese Wohnprojekte. Früher, als ich noch Staatsrat für Bau und Umwelt war, habe ich viele Jahre dafür gestritten und wurde als Häfen-Feind verdächtigt und vom eigenen Senat in den Boden gerammt. Das ist zum Glück lange dabei.

Und jetzt geht es richtig los. Die Projekte, die durch die Stadt gefördert wurden, haben als Initialzündung funktioniert: Speicher XI, Hafen-Hochhaus, Feuerwache und so weiter. Es sind schon teurer verkaufte Altbauten umgenutzt worden, der Speicher I ist extrem erfolgreich. Jetzt gibt es Neubauten, die zu Neubaupreisen vermietet werden müssen, das ist immer der Beweis für den Durchbruch. Es gibt fünf Gebäude von Justus Grosse am Europahafen, es gibt das geplante Jahn-Hochhaus von EWE und gerade ist ein Wohn-Tower vorgestellt worden – fast an der Hafenkante.

Da hat die Brebau auch ein Projekt, seit Jahren.

Wir haben fünf Jahre gebraucht, um einen Bebauungsplan zu bekommen. In diesem Monat soll der Haushaltsausschuss die Erschließungsmittel freigeben, dann können wir konkret Nutzer ansprechen.

Ist das nicht furchtbar weit weg, da ist man ja fast am Space Park.

Das ist nicht weit weg. Das sind gerade 1.500 Meter, mehr nicht. Wie man sieht, plant Justus Grosse den Wohnturm genau 44 Meter davon entfernt. Wir verhandeln mit der Stadt, ob man nicht die Straßenbahn bis dahin führen könnte.

Das Interessante dort ist die Wasserlage?

Die Flächen liegen alle am Wasser, bis zur Spitze am Wendebecken, über das man auf Waterfront blickt. Die Hafengebiete habe ein besonderes Flair, moderne Architektur gemischt mit alten Fassaden. Das hat eine Sogwirkung. Das Faulenquartier ist dagegen ein konventionelles, braves Viertel, da werden ganz andere Menschen hinziehen.

Wie lange wird es dauern, bis das alles belebt ist?

Das geht derzeit schneller als ich früher gedacht hätte. Zehn Jahre würde ich schätzen. Sie dürfen dabei nicht vergessen, dass es auf der anderen Seite der Achse auch ein großes Projekt gibt – die Wohnbebauung auf dem Stadtwerder.

Es klemmte doch immer an der umgedrehten Kommode und dem Denkmalschutz.

Das sind zwei verschiedene Themen. Die Kommode ist verkauft.

Das bedeutet, es gibt eine Einigung mit dem Denkmalschützer?

Das noch nicht ganz, man verhandelt noch mit dem Bauressort und dem Denkmalpfleger über Gestaltung von Dach und Fahrstuhl.

Ich habe sehr schöne Pläne von Studenten der Hochschule gesehen, die den Stadtwerder mit muschelförmig angelegten Straßen wie ein Dorf geplant haben. Aber der Professor von der Hochschule fand Planquadrate schöner.

Ja, ja, ich kenne das. Der wollte das extrem streng. Das Muschel-Prinzip hat aber auch Probleme. Nach Norden hat man den schönen Blick auf die Altstadt und die Domtürme, nach Süden die kleine Weser und die Sonne. Häuser, die in Ost/West-Richtung ihre Fassaden haben, können Sie schlecht verkaufen. Das wird das schönste Wohngebiet Bremens, mehrere hundert innenstadtnahe Wohnungen werden da entstehen. Wir sind seit acht Jahren an dem Projekt, es ist also reif.