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Archiv-Artikel

Marco W. muss nicht in die Türkei

Gericht vertagt Prozess gegen den wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten 18-Jährigen erneut. Dass der Uelzener auch beim nächsten Termin im Juli nicht in Antalya erscheinen muss, werten seine Anwälte als gutes Zeichen

Per SMS hat Marco W. seine „Erleichterung“ kundgetan. Mehr wollen die Anwälte an diesem Tag der Wiederaufnahme des Prozesses nicht über den Zustand des 18-jährigen Schülers aus Uelzen sagen. W. war im vergangenen April in der Rezeption eines Urlaubshotels im türkischen Side festgenommen worden, weil er die damals 13-jährige Schülerin Charlotte vergewaltigt haben soll. Vielleicht ist W. ein Opfer der türkischen Justiz, auf jeden Fall ist er ein Opfer der Medien in Deutschland geworden, die das Foto des kahlgeschorenen Jugendlichen in Haft tausendfach abdruckten. Seit Januar wird Marco psychologisch betreut.

Dennoch scheinen die Rechtsvertreter an diesem Dienstag in Hannover zuversichtlich, dass alles gut für Marco ausgehen wird. Er habe „keinerlei Befürchtungen, dass es zu einer großen Haftstrafe kommt“, sagte Anwalt Michael Nagel. Selbst wenn es keinen Freispruch geben sollte, erwarte Marco höchstens eine Bewährungsstrafe. Auch der Anwalt von Charlotte, Ömer Aycan, glaubt nun nicht mehr an eine Haftstrafe. „Das ist nicht realistisch“, sagte er.

Das Gericht in Antalya hatte am Dienstag nach drei Monaten Prozesspause wieder die Arbeit aufgenommen, um sich nach wenigen Minuten erneut auf den 4. Juli zu vertagen. Bis dahin soll ein neues gerichtsmedizinisches Gutachten über Marco und Charlotte vorliegen, dass vielleicht über den Ausgang des Prozesses entscheiden könnte, deuten die Anwälte an.

Allein die Tatsache, dass das Erscheinen von W. auch nicht zu diesem Termin angeordnet wurde, wertete Nagel als Fingerzeig der Richter in der Türkei und als „große Chance, dass das Verfahren ganz zügig zu Ende geht“. Immerhin hatte Marco W. bis kurz vor Weihnachten acht Monate in Untersuchungshaft geschmort, sein Prozess war mehrfach verschoben worden. CDU-Politiker stilisierten den Fall zu einem Prüfstein für die EU-Tauglichkeit der Türkei.

Marco war nach einer Anzeige von Charlottes Mutter inhaftiert worden. Ihm wird vorgeworfen, im Osterurlaub vergangen Jahres das Mädchen sexuell missbraucht haben. Marco hat dies stets bestritten und von einvernehmlichen Zärtlichkeiten nach einem Kennenlernen in der Disco gesprochen. Charlotte habe sich zudem als 15-Jährige ausgegeben. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Uelzen begann der 18-Jährige ein Praktikum in einem Elektronikmarkt. Marco war auf Anraten seiner Ärzte nicht in die Türkei gereist. KAI SCHÖNEBERG