: Nachhaltig beschädigt
Ypsilanti ist es, Beck sowieso – zumindest im politischen Jargon. Eine kleine Wortkunde von Christian Semler
Politiker oder zumindest ihr Ruf werden heute oft als „beschädigt“ bezeichnet. Wäre früher irgendjemand auf die Idee gekommen, von Konrad Adenauer zu behaupten, sein Ansehen sei wegen eines Skandals beschädigt? Natürlich nicht. Damals zehrten Politiker noch von einer Aufmerksamkeitswährung, die zäh und langlebig war, weite Zyklen kannte und ihren Ursprung in einer vormodernen Einstellung hatte, dem Ruhm.
Heutzutage ist das Ansehen der Politiker fragil, unterliegt den wöchentlichen Tests der Meinungsinstitute. Je größer die Anstrengungen der Image-Produzenten, desto leichter werden sie in der Öffentlichkeit zunichte gemacht. Irgendeine Panne, aus der der „Alte von Rhöndorf“ völlig unbeschadet herausgekommen wäre, würde sich heute als öffentlicher Schadensfall erster Ordnung für den involvierten Politiker herausstellen. Für solche jähen Ansehensverluste hält der politische Jargon seit einigen Jahren einen Begriff bereit: die Beschädigung.
Die Meinungsmacher stellen seit Wochen fest, dass das Ansehen des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck sowie seiner hessischen Kollegin Andrea Ypsilanti stark beschädigt, ihrer beider Reputation gänzlich zerstört sei, ihnen bleibe nur der Rücktritt. Man bemüht hier eine andere Zentralvokabel des politischen Jargons und spricht von nachhaltiger Beschädigung. Dem SPD-Vorsitzenden reichte die Beschädigung seines eigenen Ansehens nicht, auch seine Kollegen Struck und Steinmeier wurden in den Medien in diesen Mahlstrom gerissen, Beck hat auch ihr Ansehen stark beschädigt. Eine weitere Steigerung erfährt die Beschädigung, wenn sie nicht nur das Ansehen, sondern den Politiker selbst trifft. Nach dieser Redeweise sind Beck und Ypsilanti unmittelbar, wenn nicht am Leib, so doch an der Seele beschädigt und müssen den Arzt aufsuchen …
Beschädigung erfährt nach gemeinem Sprachgebrauch ein kostbarer Gegenstand, mit dem unachtsam umgegangen wurde. Mit dem Begriff der Beschädigung soll uns deshalb suggeriert werden, auch bei der Spezies der Politiker handle es sich um kostbares Gut, dessen Reparatur im Schadensfall hohe Kosten verursacht. Diese Absicht im Sprachgebrauch ist verständlich. Schließlich gilt es, das miserable Ansehen der Politiker auf der Ansehensskala dadurch etwas aufzubessern, dass ihre Wunden im politischen Kampf zur „Beschädigung“ geadelt werden. Dem Publikum ist das allerdings egal. Es hat für die Beschädigten nur Schadenfreude übrig.