kurzkritik: „Onkel Wanja“ am Thalia-Theater: Sonja lebt
Sie tragen viel zu weite Hosen, Hosenträger und grobe Westen. Beides in Beige, so dass sie vor dem hyperrealen Birken-Wald auf der Bühne aussehen wie eine Waldschrat-Familie. Außerdem sind ihre Gesichter clownesk geschminkt, was ihre Augen starr und leer aussehen lässt. Es ist eine Ansammlung egomaner Clowns auf einem abgelegenen russischen Gut, zum Großteil sind sie miteinander verwandt, in jedem Fall aber finanziell aneinander gekettet. Einer der Clowns ist Onkel Wanja, nach dem der Autor Anton Tschechow sein Stück benannt hat.
Sie alle haben nichts zu tun, öden sich mit selbstgerechtem Gejammer an und erleben einen kurzen Moment emotionaler Klarheit, als das Familienoberhaupt Alexander vorschlägt, das Gut zu verkaufen. Wanja schießt daraufhin mit einer Pistole auf Alexander – und trifft nicht.
Am Thalia-Theater stellt Regisseur Andreas Kriegenburg die jugendliche Sonja in den Mittelpunkt, die einzige Person, die noch nicht am Ende ist. Dabei ist es vor allem eine unglückliche Liebe, die Sonja zur Lebenden macht. Und es ist die Schauspielerin Lisa Hagmeister, die es hervorragend schafft, den Übergang von Naivität in Erkenntnis darzustellen.
„Onkel Wanja“ ist eine gelungene Inszenierung. Und eine, die sich Zeit nimmt: Am Ende wird die Handlungsarmut anstrengend – was sich überträgt, das ist das Zähe in Wanjas Welt.
KLAUS IRLER
nächste Aufführung: 11. Mai, 19 Uhr
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