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Archiv-Artikel

FRANZOSEN STREIKEN GEGEN EINE GEPLANTE RENTENREFORM – UND SARKOZY Hochstapler im Élysée

Ein Jahr nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten steht Nicolas Sarkozy wie ein Hochstapler da. Er hat „mehr Kaufkraft“ versprochen? Die Kaufkraft nimmt ab. Er hat gesagt, mit ihm als Präsident gelte die Regel „mehr arbeiten, um mehr zu verdienen“? Es gibt nicht mehr Arbeit, die Zahl der Überstunden stagniert, die Löhne sind eingefroren und die Unternehmen verlagern ihre Produktion weiter in Billiglohnländer. Er wollte die Rentenregime sanieren? Die Renten sinken, weil immer weniger Beschäftigte ihre volle Beitragszeit erreichen.

Dass jetzt Zehntausende im öffentlichen Dienst gegen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf die Straße gegangen sind, zeigt, dass der Stern des Präsidenten verblasst. Da mag sein Argument, eine gestiegene Lebenserwartung müsse quasi naturgemäß eine längere Lebensarbeitszeit nach sich ziehen, noch so plausibel klingen: die meisten Franzosen haben verstanden, dass es dabei vor allem um eine Umverteilung geht. Denn je höher die Zahl der Pflichtbeitragsjahre, desto weniger können ihren vollen Rentenanspruch erreichen.

Schon jetzt, mit „nur“ 40 Pflichtbeitragsjahren, sind sechs von zehn Menschen ohne Beschäftigung, wenn sie ins Rentenalter kommen. Wenn sich der Unternehmerverband Medef durchsetzt, der 45 Pflichtbeitragsjahre anstrebt, wird diese Zahl zwangsläufig noch höher sein.

Davon, dass die gesetzliche Rente auf diesem Weg permanent weiter sinkt, profitieren die privaten Rentenkassen, die jenen, die es sich leisten können, Zusatzrenten verkaufen. Und die Patrons: Sie können fortan auf alte Arbeitskräfte, die gezwungen sind, ihre Renten mit Hilfe von Nebenjobs aufzubessern, zurückgreifen.

Eine Mehrheit der Franzosen will das kollektive System der sozialen Sicherheit jedoch beibehalten. Demgegenüber streben Sarkozy und die ihn stützenden Medien und Institutionen eine Harmonisierung auf unterstem Niveau an. Ihr Vorbild ist Deutschland und die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre bis zum Jahr 2012 das Hauptziel der französischen Rechten und des Unternehmerverbandes. DOROTHEA HAHN