: Ende eines Skandal-Prozesses
Einmal zwei Jahre Haft und dreimal Freispruch – so lautet das Urteil zum brutalen Überfall auf eine Schauspielergruppe aus dem sachsen-anhaltischen Halberstadt
DRESDEN taz ■ Im Prozess um den Neonazi-Überfall auf Schauspieler in Halberstadt ist lediglich der vorbestrafte und geständige 23-jährige Hauptangeklagte Christian W. zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Strafmaß von zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung gefordert. Die übrigen drei Angeklagten wurden im Landgericht Magdeburg aus Mangel an Beweisen erwartungsgemäß freigesprochen. Staatsanwälte, Verteidiger und Nebenkläger hatten übereinstimmend so plädiert, nachdem die jungen Männer weder von Geschädigten noch von Zeugen identifiziert werden konnten.
In der Nacht vom 8. zum 9.Juni war es im sachsen-anhaltischen Halberstadt nahe der Gaststätte „Zum Spucknapf“ zu einer Schlägerei gekommen. Rechtsgerichtete jugendliche Gäste einer Geburtstagsfeier des späteren Hauptangeklagten prügelten dabei auf Schauspieler und Tänzer des Nordharzer Städtebundtheaters ein, die von einer Premierenfeier kamen und in der Gaststätte weiterfeiern wollten. Fünf Ensemblemitglieder wurden teils schwer verletzt.
Der Prozess trat eigentlich schon seit März auf der Stelle, als die Nebenklage ein Ende der Beweisaufnahme forderte. Die Bedingungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens seien nicht mehr gegeben, lautete damals der Vorwurf. Polizeipannen und Ermittlungsfehler ließen keine wirkliche Aufklärung mehr erwarten. Die eigentlich turbulenten Szenen dieses seit Oktober 2007 laufenden Verfahrens spielten sich daraufhin zwischen den OpferanwältInnen der Nebenklage und den beiden Staatsanwälten ab.
Staatsanwalt Bodo Mattstedt warf der Nebenklage eine Instrumentalisierung der Medien und eine Politisierung des Prozesses vor. Die wiederum bezweifelte den ernsthaften Aufklärungswillen. Wegen der Lautstärke der Auseinandersetzung verließ das in Magdeburg tagende Amtsgericht Halberstadt unter Vorsitz von Richter Holger Selig zeitweise den Verhandlungssaal.
Der Prozess krankte von Anfang an daran, dass durch die auffällige Nachlässigkeit der diensthabenden Polizeibeamten Beweise nicht sichergestellt werden konnten. So wurden nur vier der mindestens zehn beteiligten Neonazis namentlich ermittelt und angeklagt. Ein interner Prüfbericht hatte den Polizisten deshalb „Gesamtversagen“ vorgeworfen.
Vor Gericht machten die Beamten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Nach Auskunft der Polizeidirektion Halberstadt werden die dienstrechtlichen Ermittlungen gegen sie erst nach Abschluss des Verfahrens wieder aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft hatte unter dem öffentlichen Druck außerdem offenbar vorschnell eine unsolide Anklage erhoben. Die Mobile Opferberatung warf ihr deshalb vor, diese Anklage im Verfahren gar nicht mehr vertreten zu haben.
Theaterintendant André Bücker sprach von einer „Katastrophe“ und einer „äußerst deprimierenden Geschichte“. Einige Ensemblemitglieder haben das Theater und Sachsen-Anhalt bereits verlassen. M. BARTSCH
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