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Archiv-Artikel

Umstrittener Tiefgang für die Ems

Sommerstaus der Ems sind eigentlich verboten. Aber die Papenburger Meyer-Werft braucht die Staus, um ihre großen Schiffe termingerecht in die Nordsee zu überführen. Die „wissenschaftlichen Zwecke“ der Antragsteller seien deshalb vorgeschoben, sagen protestierende Anwohner in Leer

Noch ist es verboten – aber im Sommer soll die Ems gestaut werden. Mit Hilfe des Staus wird die Papenburger Meyer Werft ihr bislang größtes Schiff in die Nordsee überführen können. Etwa 50 Vereine, Verbände und Einzelpersonen protestieren derzeit dagegen. Denn bis Ende Juli soll über das Prozedere entschieden werden.

In diesem Zusammenhang gab es gestern im ostfriesischen Leer eine echte Schrecksekunde. Und statt juristischen Florettfechtens plötzlich schwerer Säbel: Im Anhörungsverfahren um die Genehmigung verbotener Sommerstaus der Ems durch das Sperrwerk bei Gandersum/Emden zog gestern Gerd Franke von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord West (WSD) in Leer/Ostfriesland blank: „Läge uns ein Antrag zur Genehmigung eines Sommerstaus vor, würden wir ihn ablehnen.“ Bernhard Stüer, Berater des Antrag stellenden niedersächsischen Gewässerkundlichen Landesdienstes (GLD), konterte: „Für einen Stau ist die WSD gar nicht zuständig, nur für eine Sperre.“

Wie ein Spinnennetz legen sich juristische Spitzfindigkeiten um die Ems. Am Ende ist der Fluss buchstäblich ausgesaugt und vom tideabhängigen Tieflandfluss zu einem Industriekanal mutiert. Wie sich die Ems in sauerstoffarmem Zustand im Sommer bei einem Stau verhält, das will die GLD testen. Zu diesem Zweck soll die Ems im August und September jeweils für 52 Stunden aufgestaut werden.

Solche Staus sind gerade unter sauerstoffarmen Bedingungen verboten, sagt der Planfeststellungsbeschluss zum Bau des Sperrwerkes. Genehmigende Behörde der Probestaus und Betreiberin der Emssperre ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) – ein dem GLD übergeordnetes Amt.

Im September wird übrigens die Papenburger Meyer Werft ihr bislang größtes Schiff, die „Celebrity Solstice“, von Papenburg in die Nordsee überführen. Ihr kommt der zweite Probestau gerade recht, denn ohne ihn wäre eine termingerechte Überführung schwierig. „Wir brauchen die Sauerstoff – Daten“, wirbt Dirk Post von der GLD für die Probestaus. „Wozu?“ kontert Anwohner Uwe Sager. „Alle Daten über Sauerstoff liegen durch das Planfeststellungsverfahren zum Bau des Emssperrwerkes vor.“

Es bleibt dem juristischen Berater des GLD/ NLWKN, Bernhard Stüer, vorbehalten, Klartext zu reden: „Ein Unternehmen kann so mit dem öffentlichen Interesse vereinigt sein, das die Abweichung von europäischen oder nationalen Gesetzesgrundlagen gerechtfertigt ist.“ In Hamburg reichte für Airbus diese „Abweichung“ bis zur Enteignung von privatem Grundbesitz. An der Ems stören europäische und nationale Naturschutzgesetze. „Wir müssen im Vorfeld klarstellen, ob Meyer dicht machen muss oder ob er termingerecht seine Schiffsüberführungen planen kann“, sagt Bernhard Stüer. Denn die Werft baue immer größere Schiffe deren termingerechte Ablieferung durch die einengenden Bedingungen der Sperrwerkplanfeststellung immer wieder behindert werde. Die gelte es zu knacken.

Zurzeit klagt die Stadt Papenburg gegen den Versuch der Bundesregierung, das Emsästuar als europäisches Schutzgebiet auszuweisen. Die Landkreise Leer und Emsland lassen ein Gutachten darüber erstellen, welche Bedeutung die Meyer Werft mit ihren 2.500 Arbeitsplätzen für die Region insgesamt habe. Bernd Höwelmann, ehemaliger Bürgermeister von Papenburg, wusste es schon vor zehn Jahren: „Meyer braucht eine gängige Ems. Der Fluss ist eine Bundeswasserstraße. Zur Not wird er eben kanalisiert.“ Das geschieht jetzt. An zwei Stellen wird der Fluss derzeit begradigt. Strommasten werden erhöht. Die Jan-Berghaus-Brücke wird, obwohl gerade erst saniert, erweitert. Bernhard Meyer lakonisch: „Die Politik hat mir gesagt, bau du deine Schiffe, wir bringen sie durch die Ems.“ THOMAS SCHUMACHER