: Neonazis bedrohen Richter
Nachdem er wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole verurteilt worden ist, stellt ein Rechtsradikaler dem Richter einen nächtlichen Besuch in Aussicht. Innenministerium spricht von einem Fall nicht gekannter Qualität
Das Berufungsverfahren wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen vor dem Kieler Landgericht verlief ruhig. Die Geldstrafe von 1.500 Euro für den stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Jens Lütke bewegte sich im üblichen Rahmen. Seit dem Urteil wird der Richter dennoch aus der schleswig-holsteinischen Neonaziszene bedroht. „Das ist eine neue Qualität, dass hier organisiert und zielgerichtet vorgegangen wird“, sagt Hartmut Schneider, der Sprecher des Landesverbands „Neue Richtervereinigung“. An einen ähnlichen Fall erinnert er sich nicht.
Auf dem Szeneportal „Altermedia“ konnte am Tag der Urteilsverkündung gelesen werden, wie der Richter heißt, wo er wohnt, mit wem er verheiratet ist und wie viele Kinder er hat. Lütke selbst schrieb: „Darf ich Sie einmal besuchen kommen, Herr Richter? Abends, wenn es schon ganz dunkel ist und Sie und ich nicht mehr arbeiten müssen?“
Der 28-jährige NPD-Kader führte weiter aus: „Eine Stimme, die nur ich höre, sagt mir, dass mancher Leser gerne mal einen Richter oder Staatsanwalt in freier Wildbahn erlegen würde.“ Keine Stunde später stellt ein „Borchert“ die Adresse des Richters und vermeintliche Details aus dessen Berufs- und Privatleben ins Netz.
„Das kann man schon als Bedrohung verstehen“, sagte der betroffene Richter der Presse. „Es ist nicht sehr angenehm. Ich beobachte meine Umgebung jetzt sehr viel wachsamer.“ Das sei ein Fall von nicht bekannter Qualität, heißt es auch aus dem Innenministerium. Der Staatsschutz ermittelt. Die Angaben sind dennoch seit dem Urteil vom 26. Juni auf dem Szeneportal zu lesen.
Namen und Angaben von „Borchert“ legen nahe, dass Peter Borchert die personenbezogenen Daten veröffentlichte. Der frühere Landeschef der NPD und heutige Kader der Freien Kameradschaften war schon wegen gefährlicher Körperverletzung in Haft. Eine Gefängnisstrafe wegen Waffenhandels folgte. Im Oktober 2007 wurde der 35-Jährige auf Bewährung entlassen.
Das Verfahren gegen Lütke war eröffnet worden, weil er 2006 in dem NPD-Blatt Schleswig-Holstein-Stimme eine Karikatur aus der Satirezeitung „Kladderadatsch“ aus dem Jahr 1933 veröffentlichte, auf der ein Ei mit einem Hakenkreuz zu sehen ist. Unter die Zeichnung schrieb Lütke, das Ei sei nicht als Malvorlage gedacht, höchstens, wenn der Staatsanwalt es nicht finde.
Daran, dass Richter als Feinde betrachtet werden, ließ der Neonazianwalt Jürgen Rieger schon vor Jahren keinen Zweifel. In einem Fernsehinterview führte der heutige NPD-Bundesvize und Hamburger Landeschef aus: „ Wenn der erste Reporter umgelegt ist, der erste Richter umgelegt ist, dann wissen Sie, es geht los“. ANDREAS SPEIT