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Landesschiedsgericht der PiratenparteiHolocaust-Relativierer darf bleiben

Der wegen Holocaust-Relativierung umstrittene Pirat Bodo Thiesen wird nicht aus der Partei geschmissen. Der Bundesvorstand will aber Berufung einlegen.

BERLIN taz | Kurz vor ihrem Bundesparteitag am Wochenende steht der Piratenpartei erneut Ärger bevor. Das Schiedsgericht des Landesverbands Rheinland-Pfalz hat jetzt beschlossen, den umstrittenen Piraten Bodo Thiesen nicht aus der Partei zu schmeißen. Vor über zwei Jahren hatte der Bundesvorstand das Ausschlussverfahren angestrebt, da Thiesens relativierenden Äußerungen zum Holocaust der Partei Schaden zufügten und er vorsätzlich satzungswidrig gehandelt habe.

Das Schiedsgericht sieht das anders. Einige der beanstandeten Äußerungen lägen Jahre zurück, teils vor der Gründung der Partei. Andere seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Ein Schaden habe Thiesen der Partei nicht zugefügt, es sei kein Verstoß gegen die Satzung erkennbar.

„Ich bin mit dem Urteil nicht glücklich und werde dagegen vor dem Bundesschiedsgericht Berufung einlegen“, sagte Bernd Schlömer, stellvertretender Bundesvorsitzender der Piratenpartei, der taz. Thiesens Relativierungen des Holocausts auch in der jüngeren Vergangenheit seien nicht mit der Satzung der Piratenpartei vereinbar.

Durch die Parteisatzung sei es offenbar schwierig, einen Ausschluss zu erwirken. „Andere Organisationen haben ähnliche Probleme mit unliebsamen Mitgliedern wie wir. Man muss sich nur den Bundeswehrverband ansehen, der es nicht schafft, den ehemaligen NPD-Chef Udo Voigt auszuschließen“, sagt Schlömer. Ein heftiger Vergleich.

Roman Schmitt, Parteichef in Rheinland-Pfalz, verteidigte am Donnerstag das Urteil. „Das Gericht hat es sich mit der Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte er der taz. Persönlich tendiere er zwar zu einem Ausschluss, er respektiere aber die Entscheidung. „Dass der Bundesvorstand Berufung einlegen will, ist sein gutes Recht“, so Schmitt. Letztlich sei es aber gut, dass die Sache jetzt wenigstens in erster Instanz vom Tisch sei.

"Dilettantisches" Ausschlussverfahren

 

Heftige Kritik kommt von Volker Beck, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag. Er forderte die Piratenpartei auf, weniger dilettantisch beim Ausschlussverfahren Thieses' zu agieren. „Sonst erweckt das den Eindruck, dass die Piraten ihre Augenklappe rechts tragen“, sagte Beck der taz. Wer Geschichtsrevisionismus und die Relativierung des Holocausts in den eigenen Reihen dulde, „macht sich zwangsläufig mit diesen Aussagen gemein.“

Eine neue demokratische Partei müsse sich rasch von Radikalen, Fundamentalisten und Spinnern trennen. „Stattdessen wurde das Ausschlussverfahren über zwei Jahre verschlepppt, in der Hoffnung, die Öffentlichkeit sei vergesslich.“

Bodo Thiesen wird seit Jahren vorgeworfen, vor allem in Internetforen den Holocaust zu leugnen und die deutsche Kriegsschuld in Frage zu stellen. In einer Stellungnahme von 2009 verteidigte er sich wie folgt: „Meine Ansichten über die Deutsche Geschichte entsprechen sicherlich nicht der allgemeinen Lehrmeinung. […] Ob nun die Juden (und die nichtjüdischen Opfer, die ich in Folge nicht jedes Mal separat aufzählen werde) in Auschwitz vergast wurden oder auf anderem Wege getötet wurden, spielt für die Entscheidung, jedes Menschenleben unabhängig von der Hautfarbe, Religion usw. schützen zu müssen, keine Rolle. Sie spielt auch keine Rolle in der Bewertung, ob die Judenverfolgung ein Verbrechen war, oder nicht.“

Die Piraten hatten in der Vergangenheit schon häufiger mit braunen Parteimitgliedern zu kämpfen. So wurde im Oktober diesen Jahres bekannt, dass zwei Parteimitglieder früher aktive NPD-Mitglieder waren. Parteichef Sebastian Nerz hatte dies als „Jugendsünden“ abgetan.

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