Jukebox

Aufmunterung per Off-Beats

Es gibt ja immer mal wieder eher düstere Momente im täglichen Dasein. Da erscheint das Leben etwas trübe. Feuchter Wind treibt einem die ersten gelben Blätter ins Gesicht. Eine kleine Herbstahnung klopft an der Tür, während sich der Rest der Menschheit zukunftsfroh an Stränden tummelt. Dann sind die Scheuklappen der Seele so groß, dass sie einem um die Ohren flattern. Zeit für eine zarte Aufmunterung: „The Trojan Story – a History of the original Ska, Rock-Steady and early Reggae Music“ vereint auf drei Scheiben so gut wie alles, was man für ein glückliches Lächeln braucht: maßvoll abgezählte Beats, sich wiegende Background-Stimmschönheiten, Kiekser der gelebten Lässigkeit aus menschlichen, entspannten Kehlen beiderlei Geschlechts. Die gefühlte Umgebungstemperatur steigt merklich an. An irgendeinem Horizont geht gerade die Sonne auf. Der Begriff „Entschleunigung“ schwebt vorbei, wird aber in die Strafecke der unschönen Worte verwiesen. Dabei liegt man mit der verhältnismäßigen Langsamkeit des Rock-Steady, der sich Mitte der 60er-Jahre aus dem Ska entwickelte, gar nicht so verkehrt. Angeblich war der Auslöser dieser Tendenz eine jamaikanische Hitzewelle und die aufkeimende Gewalt der Rude Boys in den Dancehalls. Der Beat wurde schlurfender, das Tanzen somit weniger anstrengend. Auch eine Art der Gewaltprävention. Allerdings gehört gerade der Song „Rudy a message for you“ zu denen, deretwegen man gleich die B-Seite der zweiten Platte zuerst auflegen sollte. Dandy Livingstone, in Kingston geboren, zog schon mit 15 Jahren von der westindischen auf die britische Insel und landete 1967 mit „Rudy“ (Ska Beat Records) verdientermaßen in der Hitparade. Nach einem Vertrag und zwei Platten bei „Trojan Records“ packte ihn wohl Anfang der 70er auch eine englische Herbstgefühlsunpässlichkeit und er kehrte nach Jamaika zurück. Allen Songs der „The Trojan Story“ ist übrigens eine selbstverständliche Leichtigkeit gemein, ohne sich seicht in den Gehörgang zu kuscheln. Das hier sind die Wurzeln! Eine Lebenseinstellung! Rhythmisch gerade flott genug, um selbst Fensterputzen als freudvolle Aufgabe zu verstehen, und doch weit davon entfernt, Stress zu verbreiten. Schön, wenn man ab und zu die Sammelbox öffnet und Alton Ellis, Lee Perry, Desmond Dekker, Jimmy Cliff, The Ethiopians und all den anderen lauscht. Schön, wenn man einen Plattenspieler hätte. Oder aber anderthalb Gigabyte auf der Festplatte.

JETTE VON BODECKER