: Eine tödliche Beziehung
Ein 37-Jährigen Stalker muss sich vor dem Landgericht wegen Totschlags verantworten: Der Türsteher hatte seine Ex-Freundin in ihrer Wohnung getötet – das Opfer hatte ihn selbst eingeladen
VON KAI VON APPEN
Es steht Aussage gegen Aussage – wie oft in Verfahren, in denen es um Gewalt gegen Frauen bei Beziehungstaten geht. Ist Ali U. der hartnäckige Stalker, der trotz gerichtlichen Verbots seiner Ex-Freundin Aysin T. nachsetzte – wie es die Anklage vorwirft? Oder ist er der liebevolle Vater, der zum Wohle des gemeinsamen Sohnes die Tabus ignorierte, wie es der 37-Jährige Türsteher angibt? Die Kronzeugin Aysin T. kann es nicht mehr beantworten. Die 33-Jährige ist am Abend des 26. März dieses Jahres in ihrer Wohnung im Karoviertel von ihrem „Ex“ mit fünf Schüssen getötet worden.
Dass U. die tödlichen Schüsse abgegeben hat, räumt er zu Beginn des Landgerichtsverfahren am Donnerstag ein. „Ich muss es gewesen“, sagt er. „Ich weiß aber nicht, wie es zu den Schüssen gekommen ist.“ Er weist allerdings die in der Anklage vorgeworfenen Gewaltexzesse von sich. Zuvor hatten die Mutter und die Brüder der Toten, die als Nebenkläger auftreten, emotional aufgebracht den Saal verlassen.
Es habe in der neunjährigen Beziehung seit Anfang 2007 gekriselt, da T. von seiner Affäre erfahren habe, klagt U.: „Da ging die ganze Beziehung den Bach runter – sie war das Beste was mir je passiert ist.“ Als er nach einer räumlichen Trennung aber erfahren habe, dass auch sie einen neuen Lover hat, setzte er ihr nach. „Ich war völlig fertig“. Er kontrollierte Rechnungen und Telefonate, beschimpfte sie auf dem Handy als „Hure“ und als „das Allerletzte“, bis sie im Herbst 2007 eine Einstweilige Verfügung erwirkt, dass er sich weder ihr noch dem Sohn nähern darf.
Doch da der Junge wohl oft nach dem Vater fragte, wurde T. schwach. Nach einer Aussprache ließ sie den Gerichtsentscheid annullieren und räumte Ali U. ein Besuchsrecht für den Sohn ein. Bis es am 5. Februar 2008 zu einer Eskalation kam. Da Aysin T. ihm das Besuchsrecht angeblich unter dem Vorwand verweigert haben soll, er habe dem Sohn Nacktfotos gezeigt, sei U. zu ihr in die Wohnung gefahren. Im Gegensatz zur Anklage beteuert U., er habe sich nicht mit einem Messer und Gummiknüppel Zutritt verschafft, sondern T. habe ihn freiwillig hereingelassen.
Es sei zwar zu einer Prügelei gekommen, durch die beide vor den Augen des Sohnes zu Boden gegangen seien. Er habe sie jedoch nicht als Geisel genommen und mit einem Messer am Hals um ihr Leben fürchten lassen. „Dann sind die Angaben von Frau T. in ihrer Anzeige also falsch?“, fragt Richter Wolfgang Backen nach. „Ja“, sagt Ali U., der damals wegen dem Vorfall eine Verfügung kassiert hatte.
Doch dann war es wieder Aysin T., die U. wegen des Sohnes zur Aussprache angerufen und in die frühere gemeinsamen Wohnungen eingeladen hat. „Es war anfangs alles wieder so schön“, berichtet U., bis ihn der Handy-Anruf seiner Geliebten erreicht habe. Danach soll Aysin T. ausgerastet sein, berichtet er. „Kann uns deine Türsteher-Schlampe nicht hier in Ruhe lassen“, soll sie gepöbelt haben. Er habe seine Pistole gezogen, die er zufällig dabei gehabt hätte und will sich diese an seine Schläfe gehalten und gefragt haben: „Was willst Du noch? Du hast deine Freiheit, Du hast den Sohn, soll ich mich erschießen?“
Plötzlich habe sich ein Schuss gelöst, der ihn verfehlte, so U.s Version. „Mir war klar, dass ich geschossen habe, als sie umgekippt ist.“ Und das vor den Augen des Kindes. Auch diesmal fragt Richter Backen nach: „Ich versteh’ das Ganze nicht – Sie verfehlen sich selbst und dann fünf Schüsse auf diese Frau?“ Der Prozess wird fortgesetzt.