Populistische Schlussoffensive

Am Sonntag wählt Österreich eine neue Regierung. Nutznießer des Niedergangs der großen Koalition ist die extreme Rechte um Heinz Christian Strache (FPÖ) und Jörg Haider (BZÖ). Mit Wahlgeschenken in letzter Minute sollen Wähler geködert werden

AUS WIEN RALF LEONHARD

Triumph und Niederlage liegen nah beieinander. Das musste die SPÖ bei einem 19-stündigen Sitzungsmarathon des österreichischen Nationalrats erfahren, der in den frühen Morgenstunden des Donnerstags endete. Nicht weniger als 25 Anträge wurden debattiert und zur Abstimmung gebracht. Vier Tage vor den vorgezogenen Wahlen nutzten die fünf Parlamentsparteien die Gelegenheit, noch einmal ausführlich ihre Positionen darzustellen.

SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann brachte von seinem wahlkampfbestimmenden Fünf-Punkte-Antiteuerungsplan zwar vier Punkte durch, scheiterte aber bei der zentralen Forderung der Halbierung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel.

Jörg Haiders BZÖ gefiel sich als Zünglein an der Waage, das seine Position bis zum Schluss offen ließ und dem umstrittenen, von SPÖ und FPÖ unterstützten Antrag schließlich doch die Zustimmung verweigerte.

Nicht verhindern konnten ÖVP und BZÖ die Abschaffung der Studiengebühren, die die Regierung Wolfgang Schüssel (ÖVP/FPÖ) vor sechs Jahren eingeführt hatte. SPÖ, FPÖ und Grüne stimmten für einen freien Zugang zu den Universitäten.

Obwohl auch die ÖVP mit Wahlgeschenken in letzter Minute nicht geizte und etwa den Rentnern satte Erhöhungen gewährte, blieben die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP bei ihren Rollen: Vizekanzler Wilhelm Molterer, ÖVP, profilierte sich als biederer Sparmeister, während SPÖ-Kandidat Werner Faymann nicht müde wurde zu betonen, dass man heute entlasten und investieren müsse, um den Herausforderungen von morgen begegnen zu können.

Wenn man den Umfragen glauben darf, kommt Faymanns Botschaft besser an. Die SPÖ, die noch vor zwei Monaten gute acht bis zehn Prozentpunkte hinter der ÖVP lag, hat jetzt die Nase vorn und liegt bei praktisch allen Umfrageinstituten mit rund 28 Prozent knapp vor den Christdemokraten. Das allerdings bedeutet schwere Verluste für beide früheren Großparteien. Davon profitiert vor allem die extreme Rechte. Die von Heinz Christian Strache geführte FPÖ liegt derzeit bei 18 bis 20 Prozent; daran konnten auch Fotos nichts ändern, die den jungen Strache in Tarnuniform bei mutmaßlichen Wehrsportübungen im Wald zeigen.

Zweiter Nutznießer ist Jörg Haider, der sich im BZÖ wieder zum Parteichef wählen ließ, nachdem sein Platzhalter Peter Westenthaler wegen Meineids anlässlich einer Wirtshausprügelei verurteilt wurde. Haider übt sich in staatsmännischen Posen und führt immer wieder an, welche Segnungen er dem Bundesland Kärnten verschafft hätte.

Völlig untergegangen sind die Grünen, die zwar die Zukunftsthemen wie Energiewende, Integration und Frauen ansprechen, aber gegen das populistische Sperrfeuer der anderen Parteien kein Rezept haben. Dazu kommt, dass das 1999 aus dem Parlament geflogene Liberale Forum (LiF) wieder antritt und einiges an grünen Stimmen absaugen wird. Von fünf bundesweit antretenden Kleinstparteien – von der KPÖ bis zu den reaktionären Die Christen – hat einzig das LiF Chancen, die Vierprozenthürde zu meistern. Erklärtes Ziel: eine Rechtskoalition verhindern. Wenn SPÖ und ÖVP ihre Versprechen wahr machen, die FPÖ nicht in die Regierung zu holen, bleibt am Ende wieder nur der Weg in eine erneute ungeliebte große Koalition.