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Archiv-Artikel

Neue Kölner Farbenlehre

Erstes schwarz-grünes Bündnis in einer deutschen Millionenstadt besiegelt. CDU-Fraktionschef sieht „Diskussionsstoff für eine über Köln hinausreichende Debatte“. Bekenntnis zu Eigenverantwortung, Bewahrung der Schöpfung – und deftiger Sparpolitik

aus Köln PASCAL BEUCKER und FRANK ÜBERALL

Zum Schluss wurde es noch einmal eng. Ausgerechnet an das Hänneschen-Theater hatten die schwarz-grünen Sparkommissare Hand anlegen wollen. Über eine halbe Million Euro an städtischen Zuschüssen sollte so eingespart werden. Doch dafür die zwar hoch defizitäre, aber traditionsreiche kölsche Stockpuppenbühne privatisieren? Das ging etlichen traditionsbewussten Christdemokraten dann doch zu weit: Nein, was der Kölner Oberbürgermeister Adenauer 1926 städtisch gemacht hatte, darf nicht verscherbelt werden. Und so mussten die Unterhändler von CDU und Grünen noch einmal nachbessern. Nun wird nur noch „geprüft, inwieweit durch Einbeziehung privaten Kapitals der städtische Zuschuss reduziert werden kann“. Sparen ist keine einfache Angelegenheit.

Doch nachdem auch noch diese schwierige Hürde aus dem Weg geräumt werden konnte, steht nun nichts mehr dem ersten schwarz-grünen Bündnis in einer bundesdeutschen Millionenstadt entgegen. Gestern unterschrieben die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU und Grünen im Kölner Rathaus den Koalitionsvertrag. Die Vereinbarung sei der erste Versuch, „die Grundwerte der Christdemokraten und die Grundüberzeugungen der Grünen in Einklang zu bringen“ und biete „Diskussionsstoff für eine über Köln hinausreichende Debatte“, warb CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann für die neue Kölner Farbenlehre.

Die grundsätzliche Einigung der beiden neuen Partner reicht über die Tagesaktualität hinaus. So bekundet Schwarz-Grün in der Präambel des 31-seitigen Vertragswerks, sich für „soziale Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern“ einsetzen zu wollen. Außerdem kämen „bürgerschaftlicher Freiheit, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung für die Menschen eine entscheidende Rolle zu“.

Einig seien sich beide Parteien zudem „in dem Ziel, bei der Gestaltung großstädtischer Lebensräume dem von beiden Seiten akzeptierten Gedanken der Wahrung von Schöpfung und Umwelt Rechnung zu tragen“.

Abgesehen von der Präambel liest sich der Vertrag allerdings vor allem wie ein deftiges Sparprogramm. Die zentrale Botschaft der Neukoalitionäre: Bei einem Haushaltsdefizit von mehr 500 Millionen Euro ist die Finanzsituation Kölns „so dramatisch wie noch nie in den letzten Jahrzehnten“.

Die Stadt befinde sich „im finanziellen Notstand“, ein strikter Sparkurs ist angesagt, um die über Jahre aufgelaufene „strukturelle Verschuldung“ abzubauen: Der Verkauf von städtischen Darlehen und Aktien soll kurzfristig 180 Millionen Euro einbringen. Zudem sollen jährlich 55 Millionen Euro im Haushalt eingespart werden. „Das wird in jedem Jahr ein Kraftakt werden“, so Bietmann. Gleichzeitig betonte er jedoch: „Tafelsilber wird in Köln nicht verkauft.“

Sonderparteitage der beiden Bündnispartner müssen den Koalitionsvertrag noch absegnen – am 17. Februar bei den Grünen, eine Woche später bei der CDU. Die Spitzen beider Parteien sind zuversichtlich, Mehrheiten für ihre Vereinbarung zu finden. „Es gibt natürlich besonders konservative Mitglieder, die schreiben uns heute schon Briefe, in denen sie fragen, wie könnt ihr bloß mit den Grünen zusammen arbeiten, ich werde euch nie wieder wählen“, so CDU-Fraktionschef Bietmann. „Aber denen werden wir unsere Haltung erklären können.“

Auch die Grünen-Parteichefin Csilla Imre ist optimistisch: „Einen richtig dicken grünen Leuchtturm gibt es nicht in dem Vertrag – aber dafür gibt es ja auch kein Geld. Das werden die Mitglieder auch verstehen.“