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Schlote der Zukunft

Wie kann immer mehr Wissen effektiver weitergegeben und behalten werden? Siebenhundert GewerkschafterInnen und ArbeitnehmerInnen suchen auf einem Kongress in Bremen nach Antworten

taz ■ „Rauchende Köpfe ersetzen die ratternden Fließbänder.“ Das, so die unausgesprochene Hoffnung Hans Endls, Chef der Bremer Arbeitnehmerkammer (ANK), bedeute Arbeitsplätze, bedeute Klingeln im Geldbeutel. „Wissen ist was wert“ haben Verdi und ANK folgerichtig den von ihnen organisierten Kongress getauft, auf dem noch bis morgen an der Bürgerweide rund 700 ArbeitnehmerInnen und BildungsexpertInnen in 17 Foren über Wissensmanagement diskutieren – also darüber, wie möglichst alle Menschen von der ansteigenden Informationsflut profitieren können. „Wir suchen nach einer Unternehmens- und Arbeitskultur, in der Wissen gerne geteilt wird und neu entstehen kann“, umschrieb Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske.

Wissen und Bildung seien der beste Garant für einen sicheren Arbeitsplatz, sagte Bundes-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) zur Eröffnung. Umgekehrt gelte aber auch: Wer nicht am Wissensstrom teilnehme, laufe in Zukunft immer leichter Gefahr, seinen Job zu verlieren. Nur wenn alle gleichermaßen die Chance hätten, Wissen zu erwerben und zu nutzen, werde die Wissensgesellschaft nicht zur Zwei-Klassen-Gesellschaft werden.

Eine Schwäche machte Bulmahn dabei im Weiterbildungsbereich aus. Das Angebot in Deutschland rangiere hier im internationalen Vergleich zwar noch mit an der Spitze. Genutzt werde es jedoch praktisch nur von denjenigen, die sowieso schon über eine gute Erstausbildung verfügten. „Wer die Schule schlecht erlebt hat, macht später auch keine Weiterbildung mehr“, fasste Bulmahn zusammen. Um auch den Schulfrustrierten lebenslanges Lernen zu ermöglichen, fehlten bisher die entsprechenden Angebote.

Unabdingbar ist es laut Bulmahn, das Schulsystem „grundlegend“ zu verbessern. „Ganz wichtig“ sei dabei die Schaffung von Ganztagsschulen. Vier Milliarden Euro habe der Bund den Ländern dafür jetzt angeboten; in jeder dritten Schule sollen die SchülerInnen zukünftig auch ihre Nachmittage zubringen – „aber nicht so, dass Kinder was auswendig Lernen“, betonte Bulmahn. Mindestens genauso wichtig wie die Ganztagsschule sei ein komplett anderes Unterrichtsmodell. Projekt-orientiertes Arbeiten müsse im Vordergrund stehen, forderte Bulmahn: „Weg mit dem 45-Minuten-Rhythmus.“ Den Schulen solle auch nicht mehr vorgeschrieben werden, wie und was genau sie zu unterrichten hätten, sondern nur noch die Kernkompetenzen, über die die SchülerInnen am Ende ihrer Ausbildung verfügen sollten.

Die Unternehmen müssten Wissen endlich auch im betriebswirtschaftlichen Sinne als Kapital ansehen, sagte Verdi-Vorsitzender Bsirske. Manager, die Arbeitsplätze abbauten, müssten sich dann für die „Vernichtung von Wissenskapital“ rechtfertigen. Schöne neue Wissenswelt.

Armin Simon

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