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: Lieber zahlen als sich Tränen tätowieren lassen

Die Rache ist mein, spricht die Schwarzfahrerin

Warte es nur ab, BVGler, wart’s nur ab, deine Tränen werden fließen, nicht zu knapp! Böse summen nützt auch nichts, wenn das Portmonee so laut gähnt, dass die Touristen neben einem es hören können. Aber die Rache ist mein, ganz bestimmt. Wäre doch gelacht.

Bei zwei von den drei Malen, die die BVG mich bei einer Beförderungserschleichung ertappt hat, hatte ich außerdem durchaus die Absicht, ein Entgelt zu entrichten. Ich weiß, das Wort Entgelt klingt zynisch. Natürlich klingt das zynisch! Das verdammte Entgelt ist in den fünfzehn Jahren, die ich in dieser schönen Stadt mit ihrem bekloppten öffentlichen Personennahverkehrssystem verbracht habe, um 120 Prozent angestiegen! DAS ist zynisch! Das Einzige, was im gleichen Zeitraum ähnlich anstieg, sind die Benzinpreise!

Aber gut. Bin halt drei Mal schwarz gefahren innerhalb von sechs Monaten, und auch, wenn wir alle dachten, dass mit der Anzeige nach dreimaligem Erwischtwerden sei ein altes Berlinmärchen, so wie der Umsonststrom oder wie toll es immer im „Risiko“ war, scheint es zu stimmen. Ich habe jedenfalls eine echte Anzeige bekommen, mit drei Zeugen, die mich beim Erschleichen einer Leistung gesehen haben – erschleichen ist in diesem Fall fast das falsche Wort, die Kontrolleure haben meine Personalien aufgenommen, und ich war nicht leise dabei – und jetzt hat der Staat mich bestraft.

Das macht mich fuchsig, weil ich natürlich bereits ein erhöhtes – dass ich nicht lache, erhöhtes, was bitte schön sind denn wohl verdammte zwei Euro zehn? – Beförderungsentgelt von dreißig Nudeln pro unangenehmen Reisestopp zahlen musste. Ich habe der BVG, die, wenn ich es mir richtig überlege, mindestens so ein Drecksverein ist wie der BVB, also den hohen Ticketverlust mehr als ausgeglichen. Aber der Staat bestraft mich trotzdem, denn ich habe aus Schaden nicht gelernt.

Hohes Gericht, habe ich nach dem gruseligen, per Einschreiben eingegangenen Strafbefehl den Staat angejammert, wenn die Ticketautomaten aber doch nicht funktionieren? Und nicht wechseln? Und ich es eilig habe, und darum nicht erst den Bahnhof verlassen und eine Wechselstube für dieses exorbitant gestiegene (ich weiß, tut nichts zur Sache, ich sag’s ja bloß) Entgelt zu finden? Hmm?

Nüschte. Das Gericht hat mich zu 20 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt. Das bedeutet, dass es sich überlegt, was ich wohl am Tag verdiene, und danach meine Strafe festlegt. Da das Gericht mich allerdings nicht kennt – bis jetzt weiß noch niemand von den Morden und Steuerhinterziehungen –, hat es sich mein Einkommen aus den Fingern gesogen. (Fast zur gleichen Zeit ist meine Freundin, die mehr verdient als ich, drei Mal erwischt worden. Sie muss 100 Euro weniger zahlen.) Ich denke darüber nach, 20 Tage lang in den Knast zu gehen, das darf man nämlich, wenn man nicht zahlen kann. Aber dann muss ich mir Tränen tätowieren lassen oder am Hals eine Linie mit „cut here“ und meinen AB neu besprechen: „Sitze jerade drinne. Bitte spendiert mir ein taz-Soli-Abo.“ Und nachher kommt, während ich sitze, noch eine in ein mangofarbenes Spaghettihemdchen gekleidete RTL-„Hinter Gittern“-Redakteurin und will recherchieren! Und weil ich die Neue bin, muss ich mit ihr reden. Huach. Dann lieber zahlen.

Aber wart’s nur ab, BVGler. Bald bin ich reich und zahle aus Prinzip überhaupt nie mehr für eine Beförderung, in welche Etage auch immer. Ich werde die neuerdings vierzig Euro den Kontrolleuren stante pede hinschmeißen, und wenn es öfter als drei Mal passiert, hauen meine Anwälte (ja, ja, grau melierte Herren mit Kanzlei am Gendarmenmarkt) mich schon raus. So viel zu Erziehung durch Strafe. Jahahaa, Henry Higgins, hahahaa, Henry Higgins, WART’S … NUR … AB!!

JENNI ZYLKA