steffen grimberg : Mehr Licht, bitte!
Zeigt her eure Penunzen: Transparenz ist das neue Medienstichwort …
Erinnern Sie sich noch an jene bunten Heftchen im Handtaschenformat, die damals immer bei Tante Agathe auf dem Tisch lagen? Lange bevor die Glamours und Allegras dieser Welt auf den Trichter mit dem coolen Mini-Format kamen? „Das Beste“ stand damals drauf, aus Reader’s Digest, der – auch das stand stets und stolz unter dem Titel – größten Zeitung der Welt.
Heute, wo Englisch allein nicht mehr abschreckt, heißt auch die deutsche Ausgabe von Reader’s Digest – Reader’s Digest. Doch das Heft atmet natürlich weiterhin, sagen wir mal nett: zeitlose Modernität. Mit The- men wie: „Der größte Vertrauens-Test Europas“. (Gewonnen haben übrigens die Feuerwehrleute, gefolgt von Krankenschwestern).
Und einmal im Jahr legt Reader’s Digest einen ganz ordentlichen PR-Stunt hin: Seit 1996 küren die Chefredakteure der 18 europäischen RD-Ausgaben den „Europäer des Jahres“.
Der bekommt für seine Mühe zwar nur popelige 5.000 Euro – für ein Weltunternehmen, dessen 4.700 Mitarbeiter weltweit fast 2,5 Milliarden Dollar Umsatz machten, eigentlich eine Frechheit.
Dafür trifft es heute in Berlin Peter Eigen von Trancparency International, der – laut vertrauenswürdigen Infos – zum Glück bereits ein Sportcoupé besitzt. TI erstellt alljährlich einen globalen Korruptionsindex und rühmt sich insgesamt, der Transparenz den Weg zu bahnen.
Und just jene Botschaft von der Transparenz scheint jetzt auch bei WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach angekommen zu sein. Der nämlich will im aktuellen Spiegel zwar immer noch keine Gewinnzahlen des Zeitungsmolochs von der Ruhr preisgeben (Reader’s Digest schlappe 61 Millionen Dollar), sagt aber plötzlich so schöne Sätze wie „Wir überlegen gerade, wie wir uns künftig transparenter machen können. (…) Transparenz schadet nicht. Wenn es das Unternehmen voran bringt, bin ich auch für eine Bilanzpressekonferenz zu haben.“ Das vom notorischen Zahlenknauserer WAZ!
Ihr Holtzbrincks und DuMonts, Bauers, Ippens und Südwestdeutsche Medienholdings – nehmt euch ein Beispiel! Wir Medienredakteure, die wir keine Zahlen kriegen, sind ja zum Teil schon froh zu wissen, welche Titel und Töchter überhaupt alle zu euch gehören. Wenn ihr das macht, rufen wir sofort den 9. Dezember zum Internationalen Tag der Bilanzpressekonferenz bei Geheimniskrämerischen Großverlagen aus. Und Bodo wird Europäer des Jahres 2004. Versprochen!