: Kündigungen: Kompromisse in Sicht
Wirtschaftsstaatssekretär Schlauch will Kündigungen erleichtern, indem gesetzliche Abfindungen festgeschrieben werden. Kompromissangebot an die Gewerkschaften. Grüne streiten über aufgeweichten Kündigungsschutz in Betrieben bis 20 Leute
von HANNES KOCH
Gegen Widerstand aus dem eigenen Lager präzisieren rot-grüne Reformpolitiker ihre Pläne zur Liberalisierung des Kündigungsschutzes. Das Wirtschaftsministerium bestätigte die Existenz eines Papieres, das Staatssekretär Rezzo Schlauch (Grüne) habe ausarbeiten lassen. Zentraler Punkt ist dabei, dass gekündigte Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Abfindung erhalten. Diese soll nach Betriebsgröße festgelegt werden. Damit sollen Kündigungen und damit auch Neueinstellungen erleichtert werden.
Diese Pläne erregten gestern pflichtgemäßen Unmut bei den Gewerkschaften. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel erklärte, er werde sich keinesfalls den Kündigungsschutz gegen gesetzlich fixierte Abfindung abkaufen lassen. Ähnlich äußerte sich Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di.
Hinter den Kulissen ist jedoch Entspannung angesagt. Denn nicht nur im SPD-Gewerkschaftsrat wurden gestern Kompromisslinien ausgelotet, auch Schlauch baut den Gewerkschaften eine goldene Brücke. In seinem Papier ist von der Lockerung des prinzipiellen Kündigungsverbots keine Rede, es geht ausschließlich um einen Weg, dieses unter Wahrung der gegenwärtigen Rechtslage in der Praxis zu umgehen.
Bisher, so die verbreitet Analyse, würden gerade kleine Betriebe keine zusätzlichen Beschäftigten einstellen, weil sie Angst davor hätten, sie im Falle von Auftragsmangel nicht schnell genug wieder loszuwerden. An diesem Punkt will Schlauch Abhilfe schaffen. Wenn für Beschäftigte wie Unternehmer klar sei, welche Abfindung im Falle einer Kündigung zu zahlen sei, würden sich beide eher darauf einlassen. Dann würden auch viele der lästigen Arbeitsgerichtsprozesse überflüssig. Und das alles zusammen verringere das „Einstellungshemmnis Kündigungsschutz“ ganz erheblich, ohne ihn grundsätzlich in Frage zu stellen. Schlauch schlägt vor, dass kleine Betriebe bis zu zehn Mitarbeitern dem gekündigten Beschäftigten nur 20 Prozent seines Monatsgehaltes pro Jahr der Betriebszugehörigkeit als Abfindung zahlen sollen.
Außerdem will Schlauch an der so genannten Sozialauswahl feilen. Diese Regelung soll gelockert werden, da sie bisher dazu führt, dass langjährige Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit im Betrieb bleiben, während jüngere eher abgewickelt werden.
Richtig bunt wird es bei der Diskussion jedoch erst dann, wenn der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes in Frage gestellt wird. Hier liegt die Grenze augenblicklich bei Betrieben mit fünf Beschäftigten. Bis zu dieser Größe braucht der Chef keine Sozialauswahl zu treffen, ab sechs Arbeitern ist das notwendig. Eigentlich will Wirtschaftsminister Wolfgang Clement diese Grenze lockern und nach oben schieben, doch lehnt er sich da zurzeit nicht aus dem Fenster. Diese Rolle überlässt er den Grünen. In deren Fraktion haben Thea Dückert und Fritz Kuhn Eckpunkte für eine Reform vorgelegt, die zwischen 5 und 20 Beschäftigten eine „flexible Gleitzone“ ansiedelt. Stellt ein Betrieb den sechsten Arbeitnehmer ein, erhält nur der Kündigungsschutz, der am längsten dabei ist. Bei sieben Leuten haben zwei vollen Schutz. Erst ab 20 kommen alle in den Genuss des Kündigungsschutzgesetzes.
So etwas meinen Frank Bsirske und Klaus Zwickel wohl, wenn sie von „abkaufen“ und „kommt nicht in Frage“ sprechen. Auch bei den Grünen selbst haben Dückert und Kuhn nicht nur Freunde. Die Parteispitzen Angelika Beer und Reinhard Bütikofer lehnen die Gleitzone ab.