: Eine Verbeugung vor Angela Merkels Macht
Der Rechts-Publizist Hugo Müller-Vogg erweist der CDU-Chefin die Ehre eines Buches – oder ist es umgekehrt?
BERLIN taz ■ Angela Merkel, das ist ihr deutlich anzusehen, hat sich auf diesen Termin gefreut. Im Gebäude der Dresdner Bank am Brandenburger Tor wird an diesem Montagmorgen ein Büchlein präsentiert, das ihren Namen trägt und schlicht „Mein Weg“ heißt. Das hat offenbar Neugier geweckt, der Saal ist voll. Ein schöner Start in die Woche.
Die oft so kühle CDU-Vorsitzende lächelt mehr als sonst und lässt auch das lästige Blitzlichtgewitter lässig über sich ergehen. Dann setzt sie sich wie selbstverständlich auf ihren herausgehobenen Platz, chefinnengemäß mitten auf dem Podium, und hört sich an, was die zwei Männer links und rechts von ihr zu sagen haben. Hier kann nichts schief gehen, scheint sie sich zu denken – und behält Recht.
Der Mann rechts von ihr ist Chefredakteur der Financial Times Deutschland und hat das Buch gelesen. Christoph Keese stellt als Laudator erst mal fest, Merkel habe auch in diesem neuen Buch nichts gesagt, was sie nicht sagen wollte. Persönlichen Fragen sei sie geschickt ausgewichen, politisch „kein Risiko eingegangen“. Keeses nüchternes Fazit: Das Buch – ein 256-seitiges Interview mit dem früheren FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg – sei „nachrichtenjournalistisch keine Sensation“. Besonders spannend klingt das nicht – doch das dürfte Merkel wenig stören. Der eher abwertenden Analyse des eher drögen Inhalts widerspricht sie nicht. Die zu erwartenden, eher geringen Verkaufszahlen sind ihre geringste Sorge. Ihr geht es um das Signal, das von diesem Buch ausgeht. Und dafür sorgt der Autor.
Dass ausgerechnet Müller-Vogg dieses Interviewbuch geschrieben hat, ist eine Verbeugung. Eine Verbeugung vor Merkels Macht. Müller-Vogg schreibt normalerweise Kommentare für die Springer-Blätter Bild, B.Z. und Welt am Sonntag. Er repräsentiert den rechtskonservativen Flügel der Union, der von Anfang an skeptisch war, was Merkels Fähigkeiten und Perspektiven in der Union betrifft. Wichtiger noch: Müller-Vogg kommt aus Hessen und steht Merkels Dauerrivalen Roland Koch nicht nur räumlich nahe. Vor einem Jahr hat er schon einmal ein ähnliches Gesprächsbuch publiziert – mit Koch. Es las sich wie ein Geplauder unter Gleichgesinnten, wie ein Empfehlungsschreiben für den nächsten Kanzlerkandidaten der Union.
Von Merkel hielt Müller-Vogg damals noch wenig, wie er heute einräumt. Seitdem hat sich einiges geändert. Merkel hat mit ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit und der folgenden Reformdebatte Profil und Macht gewonnen. Dass sie sogar die radikalen Steuerkonzepte ihrer Partei und die Kopfpauschalen gegen den Widerstand der CSU durchsetzt, ringt den Rechten Respekt ab. Müller-Vogg bleibt da nur, rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen und die eigene Rolle zu betonen: „Nach diesem Jahr 2003 und nach diesem Buch kann niemand mehr sagen, dass Frau Merkel inhaltlich nicht festzulegen wäre.“ Wer bei diesem Spiel die Chefin ist, macht Merkel klar. Sie habe in dem Buch „geschafft zu sagen, was ich sagen wollte“. LUKAS WALLRAFF