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Archiv-Artikel

Jahrhundertprojekt gegen die Dürre

China will die Läufe von Jangtse und Gelbem Fluss mit drei Kanälen zur Wasserumleitung verbinden: 20 Milliarden Euro, die dem trockenen Norden helfen sollen. Hunderttausende müssten umgesiedelt werden. Ausland empfiehlt Wasser sparen

aus Peking GEORG BLUME

Die Dürre-Katastrophe ist längst eingetreten. Allein in der nordostchinesischen Provinz Shandong überleben 9 Millionen Bauern den Winter nur aufgrund einer Nothilfe des Staates. Dort sind 3 Millionen Hektar wertvolles Land bereits völlig vertrocknet. Wie nun fast jedes Jahr führt der Gelbe Fluss im Winter kein Wasser mehr. Zur Zeit misst man die seit 50 Jahren geringsten Niederschläge. Verantwortlich ist auch offiziellen Angaben zufolge das „Phänomen El Niño“, mit anderen Worten: der Klimawandel. Was also tun gegen das globale Schicksal?

Seit 40 Jahren arbeitet Chen Chuanyou, Professor für Wasserbau am geologischen Institut der Pekinger Wissenschaftsakademie, an einer tollkühnen Antwort auf diese Frage. „Ich berechne Wasserflüsse“, erklärt Chen und nimmt einen Stift zu Hand. Im Nu hat der Ingenieur eine kleine Skizze gefertigt, die zeigt, wie Wasser aus einem 170 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Becken des Han-Flusses in Mittelchina über 1.267 Kilometer bis weit über den Gelben Fluss hinaus nach Peking fließen kann. „Es gibt viele andere Meinungen, auch aus dem Ausland. Die meisten sagen, wir sollten lieber Wasser sparen“, räumt Chen ein. Dann nimmt er wieder seine Skizze zur Hand: „Aber ich glaube, das hier geht.“

So scheint inzwischen auch seine Regierung zu denken. 40 Jahre kämpfte der Professor für die Idee eines „Süd-nach-Nord Wasser-Transfer-Projektes“, die der große Steuermann Mao Tsetung einst in die Welt gesetzt hatte. Ende Dezember begannen an zwei alten Kanalstücken in den Provinzen Shandong und Jiangsu die Bauarbeiten für das möglicherweise größte Wasserbauprojekt aller Zeiten. Schon spricht die Regierung von Investitionen in der Höhe von umgerechnet 20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010. Das Kanalsystem würde einem einzigen Zweck dienen: Die Wassermengen des Jangtse-Flusses und seiner Zuläufe wie dem Han-Fluss in die heute vertrockneten Ebenen des Gelben Flusses umzuleiten.

45 Milliarden Kubikmeter Wasser sollen nach Ende aller Bauerarbeiten in 50 Jahren jährlich abgezweigt werden. Die Ingenieure am Han-Fluss meinen, das dortige Wasserreservoir müsse erhöht und 220.000 Anwohner müssten evakuiert werden. Doch Chen rechnet vor, dass nur 100.000 Menschen ihren Wohnort verlören, wenn man einen Tunnel vom Jangtse baute, statt das Reservoir zu erhöhen.

Im Wesentlichen hat das Wassertransferprojekt drei Routen: Die erste und leichteste führt von der Jangtsemündung entlang der Küste ins Zentralgebiet von Shandong und nutzt den Jinghang-Kanal. „Das Problem ist nur, dass die Strömung des Kanals von Nord nach Süd verläuft“, erklärt Chen. Das Wasser müsste über tausende Kilometer Richtung Norden gepumpt werden. Zweites Problem ist die geringe Wasserqualität an der Jangtsemündung. Damit sich das Projekt lohne, müssten viele Fabriken am Jangtse, die den Fluss verschmutzen, geschlossen werden.

Doch an der Machbarkeit und ökologischen Verträglichkeit der östliche Route gibt es die wenigsten Zweifel. Anders schon bei der „mittleren Route“ vom Han-Fluss nach Peking: Hier sind die veranschlagten Investitionen dreimal so hoch, besteht neben dem Problem der Umsiedlung auch die Gefahr der Versandung des Han-Flusses flussabwärts. Doch die eigentliche Herausforderung bietet erst die dritte, noch gar nicht fest geplante Route: Sie verläuft durch Hochgebirge, dort wo sich die Flussläufe von Jangtse und Gelbem Fluss bis auf 200 Kilometer annäheren. Doch der alte Chen ist sich sicher, dass seine lange Forschungstätigkeit zu gerade dieser dritten Route nicht umsonst gewesen sein wird.