: „Das Gesetz muss geändert werden“
SPD-Energiepolitiker Hermann Scheer sieht noch viel Handlungsbedarf bei den erneuerbaren Energien
taz: Herr Scheer, das Kabinett hat sich Mitte Dezember auf die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geeinigt und das Emissionshandelsgesetz vorgelegt. Heute sind beide Gesetze in erster Lesung im Bundestag. Vor allem gegen die jetzige Version des EEG haben Sie Widerstand angekündigt. Was sind die Knackpunkte?
Hermann Scheer: In den Punkten kleine Wasserkraftanlagen, Windkraft im Binnenland sowie Biomasse muss das Gesetz geändert werden.
Was genau werden Sie heute im Bundestag fordern?
Für Wasserkraftanlagen ist der bürokratische Aufwand schon jetzt zu hoch. Davor kapitulieren viele Betreiber. So sind 2003 weniger als 10 Anlagen genehmigt worden. Das EEG verschärft dies, indem es weitere Naturschutz-Gutachten fordert. Das muss rückgängig gemacht werden.
Ist es nicht berechtigt, auch auf Naturschutz zu achten?
Dies ist bereits im Naturschutzgesetz angemessen geregelt. Das EEG ist ein reines Vergütungsgesetz. Die neuen Auflagen gehören nicht hierher. Außerdem sind im Naturschutzgesetz erneuerbare Energien, die uns dezentral und emissionsfrei mit Energie versorgen, eindeutig als Instrumente des Umweltschutzes benannt. Sie helfen Luft zu reinigen, Atmosphäre zu schützen, Waldsterben und Gewässersäuerung einzudämmen.
Kritiker halten das Potenzial der kleinen Wasserkraft ohnehin für sehr gering.
Um 1900 gab es in Deutschland 60.000 Anlagen, heute sind es lediglich 6.000. Den Gewässern ging es damals unbestritten besser. Würde das Potenzial ausgeschöpft, wären drei bis vier Kohle- oder Atomkraftwerke überflüssig.
Was muss bei der Windkraft nachgebessert werden?
Windräder an windschwächeren Standorten in der Vergütung zu benachteiligen, wie derzeit vorgesehen, ist völlig unberechtigt. Dass Offshoreanlagen kosteneffektiver sind, ist bisher nicht erwiesen. Die Kosten für den Anschluss ans Stromnetz, für Wartung und Material sind höher.
Strom aus Biomasse soll nur noch fünfzehn Jahre vergütet werden. Für Landwirte, die nachwachsende Rohstoffe anbauen, ist ein zusätzlicher Bonus von 2,5 Cent pro Kilowattstunde vorgesehen.
Hier muss wieder zwanzig Jahre gezahlt werden, und der Bonus sollte höher ausfallen. Über genaue Zahlen werden wir sprechen.
Welche Chancen hat Ihr Widerstand?
Parlamentarische Gesetzgebung ist kein Widerstand, sondern Grundgesetznorm. Das EEG war schon immer eine Parlamentsinitiative. Auch in der CDU gibt es Fürsprecher.
Ist das für Mai dieses Jahres avisierte In-Kraft-Treten des Gesetzes noch realistisch?
Nur wenn die beiden zuständigen Minister keinen Widerstand gegen unsere Verbesserungen suchen.
Ebenfalls zur Debatte steht heute das Gesetz zum Handel mit Emissionen von Treibhausgasen. Rund 2.600 Unternehmen bekommen Kontingente zugeteilt. Emittieren sie weniger Treibhausgase als vorgesehen, können sie ihre Lizenzen verkaufen. Stoßen sie mehr aus, müssen sie Rechte zukaufen. Werden Sie dieses Gesetz als sinnvolles Instrument für den Klimaschutz unterstützen?
Das Gesetz ist eine Vorgabe der EU. In seinem Nutzen für den Klimaschutz aber ist es gegenüber dem EEG und der Ökosteuer drittrangig. Viel Bürokratie. Vor allem aber sind nicht nur die Emissionen der Kraftwerke zu berücksichtigen. Von der Rohstoffförderung über Produktion hin zu Transport, Verteilung und Verbrauch von Produkten fallen Energieverluste und damit Emissionen an. Unbestritten effektivstes Klimaschutzinstrument ist und bleibt das EEG.
INTERVIEW: KATRIN EVERS