: Absage angedroht
Nach der Attacke von Israels Botschafter auf ein Kunstwerk will Tel Aviv Stockholmer Holocaust-Forum boykottieren
STOCKHOLM taz ■ Die Kunstattacke des israelischen Botschafters im Museum für Geschichte in Stockholm droht nun den geplanten Ablauf der Stockholmer Konferenz über „Strategien zur Vermeidung von Völkermord“ über den Haufen zu werfen. Die Regierung Ariel Scharons hat angekündigt, ihre Zusage zu einer Teilnahme an der am kommenden Montag beginnenden Veranstaltung zurückzuziehen, falls die von Israel als antisemitisch eingestufte Kunstinstallation nicht endgültig entfernt werde. Diese hatte Botschafter Zvi Mazel am Freitagabend demoliert.
Zur vierten Einzelkonferenz in der Reihe des „Stockholmer Holocaust-Forums“ hat Schwedens Premier Göran Persson Politprominenz aus aller Welt eingeladen. Die Eröffnungsansprache soll UN-Generalsekretär Kofi Annan halten. Der schwedische Ministerpräsident hatte mit dieser Konferenzreihe versucht, Schweden – und seiner Person – wieder eine aktivere Rolle auf internationaler Ebene zu verpassen. Diese Position ging auch einher mit einer deutlichen schwedischen Akzentverschiebung im israelisch-palästinensischen Konflikt. Persson drehte diesen in eine markant israelfreundliche Richtung.
Die Konferenz sollte das Thema „Völkermord, Terror und Konflikte“ haben. Auf Betreiben Israels wurde es in „Strategien zur Vorbeugung von Völkermord“ geändert. Bewusst wurden weder Vertreter Palästinas noch von Menschenrechtsorganisationen eingeladen.
Das Konferenzprogramm spiegelt einen äußerst selektiven Blick auf Massaker wider. Platz haben dort in erster Linie nur Serbien und Ruanda. Ausgeblendet bleiben sollen nach Meinung von HistorikerInnen wie Martin Linde und Åsa Linderborg „die Massaker, die in den letzten Jahrzehnten von westlichen Großmächten und/oder deren Handlangern (zum Beispiel in Indochina, Osttimor, dem südlichen Afrika, Zentralamerika)“ verübt worden seien. Ein aus etwa 50 Organisationen bestehendes „Netzwerk gegen den Krieg“ hat deshalb auch zur Teilnahme an einer Alternativkonferenz aufgerufen. Zudem protestiert das „Netzwerk“ gegen die Einladung „von Regierungen, die täglich und systematisch das Völkerrecht brechen und gegen UN-Resolutionen verstoßen“. Konkret werden die USA, Großbritannien und deren Irakalliierte genannt, sowie Israel und Marokko aufgrund der Okkupation fremden Territoriums.
„Welche Signale senden wir“, so Jörgen Hassler vom „Netzwerk“, „wenn wir solche Regierungen zur Diskussion dazu einladen, wie man die Rechte gekränkter Völker verteidigt.“ Krister Kumlin, Generalsekretär des „Forums“, weist das zurück: „Die Absicht ist eine politische Diskussion über aktuelle Missstände. Ohne den Blick zurück.“
Immer mehr verdichten sich Hinweise, dass die Demolierung der „Schneewittchen“-Kunstinstallation keine Spontanaktion von Botschafter Mazel war. Die Tageszeitung Haaretz zitiert ihn mit dem Satz, er habe den Angriff geplant, seit er über den Inhalt der Ausstellung gelesen habe. REINHARD WOLFF