: berliner szenen Tim Renner spricht
Rammstein über alles
Es war ein schöner Kontrast an diesem Donnerstagnachmittag: Hier, entlang der Tiergartenstraße Richtung Westen, die Botschaften Indiens, Japans und Südafrikas, ein Hauch Internationalität also, und dort, am Ende der Straße, die Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, die zu einer Fachtagung geladen hatte mit dem Titel: „,Darf es auch ein bisschen deutsch sein?‘ – Musik in und aus Deutschland. Stars, Charts und der Staat“. Man macht sich auch in der CDU, gerade in Person des MdB Steffen Kampeter, Sorgen um die deutsche Musikwirtschaft, und so diskutierten Menschen wie der Musikverleger Rolf Budde oder WDR-Programmchef Jochen Rausch die Radioquote für deutsche Titel oder die Einrichtung eines deutschen Musikexportbüros.
Dass es aber noch ein bisschen deutscher geht, bewies der Universal-Chef Tim Renner mit einer kleinen Rede: Einen deutschen Glamour müsse es wieder geben, eine deutsche Identität, walserte er, und gerade eine Band wie Rammstein hätte mit ihrem Erfolg auch im Ausland eine stabile Brücke für dieses neue Pop-Deutschtum gebaut. Rammstein über alles: Renner bekam sich gar nicht wieder ein ob der Vorbildfunktion dieser Band, die bei Universal unter Vertrag ist, und verstieg sich schließlich zu der steilen These, die 68er hätten dem deutschen Kulturgut den endgültigen Garaus gemacht. Jetzt aber müsse es wieder möglich sein, Nietzsche, Wagner oder Riefenstahl toll zu finden! Das klingelte nur so deutsch und noch deutscher in den Ohren, und fast wohltuend war es dann zu hören, als Steffen Kampeter sagte, zwar schon qua Parteigehörigkeit ein Patriot zu sein, sich aber ungern einen Patriotismus aufzwingen lassen wollte. Ob Renner das vernommen hat?
GERRIT BARTELS