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Archiv-Artikel

Mehr Sport in der U-Haft

Justizsenatorin Gisela von der Aue präsentiert einen Entwurf zur Verbesserung der Situation für Untersuchungshäftlinge. Der Beamtenbund findet das unrealistisch

Es war gemein. Zusammen mit ihrer Thüringer Kollegin präsentierte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) am Montag einen Musterentwurf zur Regelung des Untersuchungshaftvollzugs, der helfen könnte, die Haftsituation zu verbessern. Dann mischte die Gewerkschaft der Justizbediensteten die Pressekonferenz auf. Der Gesetzesentwurf lese sich wunderbar, riefen die Funktionäre des Deutschen Beamtenbundes (BSBD), die sich unter die Journalisten gemischt hatten, in die versammelte Runde. „Aber in die Praxis wird das doch nicht umgesetzt. Dafür gibt es doch überhaupt kein Personal.“

Die Regelung, die zwölf Bundesländer unter Federführung von Thüringen und Berlin erarbeitet haben, soll 2010 in Kraft treten. Sie gilt ausschließlich für die Untersuchungshaft. In den Berliner Gefängnissen sitzen zurzeit 668 Menschen in U-Haft. U-Häftlinge gelten so lange als unschuldig, bis sie rechtskräftig verurteilt sind. Trotzdem sind ihre Haftbedingungen zum Teil ungleich härter als die von Strafgefangenen. Es kommt vor, dass ein U-Häftling, von den Mitgefangenen gänzlich isoliert, 23 Stunden allein in der Zelle eingeschlossen ist. Daran wird auch das neue Gesetz nichts ändern, weil eine solche Isolation gegebenenfalls vom Gericht angeordnet wird. „Der Richter ist Herr des Strafverfahrens. Die Haftanstalt ist Herrin des Vollzugs“, so die Thüringer Justizministerin Marion Walsmann (CDU).

Geregelt sind in dem Musterentwurf unter anderem Fragen wie Besuchszeiten, Zellenausstattung, Bekleidung, Arbeitsmöglichkeiten, Sport und Freizeitbeschäftigung. Bisher darf ein U-Häftling zweimal im Monat jeweils für eine halbe Stunde Besuch bekommen. Die Zeit soll nun auf zwei Stunden im Monat verdoppelt werden. Jugendliche U-Häftlinge sollen gar vier Stunden im Monat besucht werden können. Das Sportangebot für Jugendliche soll auf mindestens zwei Stunden pro Woche erweitert werden. Gerade bei jungen Gefangenen solle der Erziehungsgedanke und die Fort- und Weiterbildung im Vordergrund stehen, sagte von der Aue. Es sei wichtig, dass sie ihre Zeit bis zur Gerichtsverhandlung nicht absäßen, sondern sinnvoll nutzen. Mit der gesetzlichen Regelung sei „ein Meilenstein“ erreicht worden.

Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Justizbediensteten, Joachim Jetschmann, sagte nach der Pressekonferenz, er frage sich, woher das Personal für diesen Mehrbedarf an Aufgaben kommen solle. „Schon jetzt fehlen die Leute an allen Ecken und Enden.“ Schon jetzt drohten die Sportplätze in der Jugendstrafanstalt zu verwaisen, weil das Personal für die Betreuung keine Zeit habe. Justizsenatorin von der Aues Antwort: „Der Mehrbedarf wird Bestandteil der Haushaltsverhandlungen sein.“

PLUTONIA PLARRE