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Archiv-Artikel

Beweise für Sadismus

Gegen den mutmaßlichen Naziverbrecher Bikker gibt es weitere Beweise für einen sadistischen Mord

HAGEN taz ■ Am vergangenen Freitag war der mutmaßliche Kriegsverbrecher Herbertus Bikker alleine vor dem Hagener Landgericht: An diesem Tag waren niederländische Bürger und Medien erstmals nicht zum Prozesstermin angereist. Deutsche Pressevertreter waren wie immer nur spärlich vertreten.

Dem ehemaligen SS-Mann und Polizisten Herbertus Bikker wird vorgeworfen, den niederländischen Widerstandskämpfer Jan Houtman im November 1944 nicht nur erschossen, sondern vorsätzlich ermordet zu haben. Dieser Unterschied ist juristisch entscheidend: Da alle Straftaten außer Mord längst verjährt wären, kann Bikker nur verurteilt werden, wenn nachgewiesen wird, dass er das Opfer aus niederen Beweggründen wie zum Beispiel Hass oder Mordlust getötet hat.

Das Verfahren begann mit der Verlesung des Protokolls der richterlichen Vernehmung des Zeugen Lenz im Jahre 2000. Der Zeuge war ab 1943 wegen seiner Beteiligung am Maistreik untergetaucht. Er und seine Mitstreiter sammelten in den Wäldern um Dahlfsen von den Engländern mit Fallschirmen abgeworfene Waffen für den Widerstand ein. Die verhasste Grüne Polizei (Kontrollkommando) führte in der Gegend Patrouillen durch. Am Tag nach der Ermordung von Jan Houtman hatte das Kontroll Kommando (KK) einen jüdischen Jungen verhaftet, misshandelt und ihm die Leiche von Jan Houtman gezeigt. Lenz wurde später auf der Flucht aus der Gegend um Ommen verhaftet und in das Lager Erika bei Ommen gebracht. Er wurde in einer Gruppe von acht Häftlingen eingeliefert. Der älteste der Gruppe wurde sofort brutal zusammengeschlagen. Bikker sei im Lager als großer Sadist bekannt gewesen, gab er an. Er habe als der „Schinder von Ommen“ gegolten.

Nach Lenz` Bericht wurden die Aussagen des Zeugen von Huisen verlesen, die er schon 1998 machte. Der Zeuge hatte seit dem Anfang der achtziger Jahre akribisch die Aussagen von Zeitzeugen der Kriegszeit aufgeschrieben. Diese Berichte umfassen mehr als 1.000 Seiten. Sie belegen, dass Jan Houtman und sein Freund Dickie ein Auto ausleihen wollten, um Waffen zu transportieren. Als die Grüne Polizei erschien, floh Houtmann zu Fuß am Kanal entlang. Bikker lieh sich ein Fahrrad und folgte ihm. Auf dem Bauernhof fielen anschließend 34 Schüsse. Im angrenzenden Kuhstall hatten sich untergetauchte niederländische Zwangsarbeiter versteckt.

Am Tag darauf wurde ein jüdischer Junge verhaftet, der dann im März 1945 erschossen wurde.

Der Prozess gegen Herbertus Bikker wird am kommenden Montag fortgeführt. Wieder wird der ehemalige SS-Mann zur Tat schweigen. Seine Verteidiger werden wieder versuchen, ihn als „nicht verhandlungsfähig“ darzustellen. ACHIM SCHEVE