ZUWANDERUNG: SPD UND GRÜNE KÖNNTEN REGELN ALLEIN VERBESSERN: Schädliche Konsenssuche
Was ist denn nun los? Der Kanzler hat das Zuwanderungsgesetz wieder entdeckt. Fast schon euphorisch verkündet Gerhard Schröder, es könne in nächster Zeit eine Einigung mit der Union geben. Als Indiz sieht er die Bereitschaft von CDU und CSU zu Verhandlungen in einer kleineren und damit möglicherweise endlich effektiven Runde. Nun könnte man meinen, die Grünen müssten begeistert sein. Schließlich hatten sie doch die Einwanderungsreform vorangetrieben. Doch ausgerechnet jetzt, da eine Einigung möglich scheint, da das lang ersehnte Gesetz in greifbare Nähe rückt, treten sie auf die Bremse. Spinnen die Grünen?
Nein, der kleine Koalitionspartner ist nicht verrückt geworden. Er erinnert lediglich an die Ziele, die einst mit dem Zuwanderungsgesetz verbunden waren. Einen „Paradigmenwechsel“ hatte man versprochen, ein Signal der Öffnung sollte das Reformwerk sein. Ein Signal nach innen und außen. Es ging darum, die Realität der Einwanderungsgesellschaft zu akzeptieren und für bessere Integration zu sorgen. Mit attraktiven Angeboten wollte man um qualifizierte Fachleute aus dem Ausland werben. Nicht zuletzt wurde versprochen, das Flüchtlingsrecht an EU-Standards anzupassen. Nur wenn diese drei Ziele erreicht werden, macht es Sinn, ein gemeinsames Gesetz mit der Union zu verabschieden. Doch danach sieht es nicht aus.
An der vorgestrigen Haltung der Union hat sich nichts geändert. Stur und unbelehrbar beharren Angela Merkel und ihre Männer darauf, den Anwerbestopp festzuschreiben. Mit der angestrebten Öffnung hat das nichts zu tun. Geändert hat sich nur die Haltung der SPD. Ihr scheint es nur noch um die Überschrift zu gehen. Solange „Zuwanderungsgesetz“ draufsteht, sind alle Forderungen der Union erfüllbar – auch wenn sie die ursprünglichen Ziele auf den Kopf stellen und mehr Schaden anrichten als nützen. Besser wäre es, die Konsenssuche aufzugeben und da etwas zu tun, wo dringend etwas getan werden müsste: Integration, Flüchtlingsschutz, unbürokratische Regeln für Migranten – vieles wäre auch ohne die Union möglich. Wenn man denn will. LUKAS WALLRAFF
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