: Das Hanf ist wieder frei
Bei der Hanfparade 2002 wurden 63 Pflanzen verhaftet. Daraus wurde erst ein Raab-Hit für Ströbele und nun ein Freispruch für die Eigner. Nur für die THC-armen Pflanzen kommt die Rettung zu spät
VON PLUTONIA PLARRE
Das Hanf ist frei. Genauer gesagt, das, was nach anderthalb Jahren Inhaftierung davon noch übrig ist: fünf verwelkte Stängel und ein paar Blätter. Für den Rest von insgesamt 63 stolzen, mannshohen Pflanzen kam der gestrige Freispruch allerdings zu spät. Sie sind vernichtet worden. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele hatte für die Gewächse auf der Hanfparade 2002 in Richtung Polizei „Gebt das Hanf frei, und zwar sofort“ gefordert – der O-Ton ist von dem musizierende Metzger Stefan Raab in einem gleichnamigen Reggae-Song verewigt worden.
In dem Prozess um die Hanfpflanzen hatten der Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, Georg Wurth, und Theo Pütz, ebenfalls beim Verband und Experte für Cannabis und Führerschein, auf der Anklagebank gesessen. Der Vorwurf: Besitz und Weitergabe von unerlaubten Betäubungsmitteln. Wie damals bei der Hanfparade im August 2002 war auch der Grüne Christian Ströbele wieder mit dabei, diesmal allerdings nur als Zuschauer.
Auch wenn das Verfahren in weiten Strecken die Züge einer Gerichtsposse trug – rechte Fröhlichkeit mochte in dem Prozess nicht aufkommen. Der Verfolgungswahn, den die Ermittlungsbehörden bis zum Ende an den Tag legten, indem sie auf Biegen und Brechen aus einem ganz normalen Faserhanf eine berauschende Droge zu machen suchten, ließ jedes Lachen im Halse stecken bleiben.
Es begann damit, dass Wurth und Pütz am 31. August 2002 morgens früh bei einem Landwirt in der Nähe von Prenzlau 63 Planzen Bio-Rohhanf der Sorte „Terra Nora“ zum Preis von einem Euro für das ganze Bündel gekauft und mit ihrem Auto zur Hanfparade gefahren hatten. Auf einer Rechnung – „grüne Hanfstrohhüllen, ungebrochen“ – hatte der Bauer bescheinigt, dass die Pflanzen zu Rauschzwecken nicht geeignet seien. Eigentlich sollten mit den ausladenden Zweigen die Wagen des Demonstrationszuges dekoriert werden. Ein paar Pflanzen waren auch für eine Ausstellung über die Verwendungsmöglichkeiten der alten Kulturpflanze bestimmt – damit die Hanfparade nicht immer nur aufs Kiffen reduziert werde, so Wurth gestern vor Gericht.
Doch dazu kam es nicht mehr. Kaum wollten Wurth und Pütz die Pflanzen aus dem Auto holen, war die Polizei da und umstellte den Wagen. „Zuerst behaupteten die Beamten, mit dem Veranstalter sei abgesprochen: keine echten Pflanzen auf der Demo“, so Pütz. „Als wir ihnen die Rechnung präsentierten, wechselten sie plötzlich die Strategie und behaupteten, wir hätten den Hanf auf dem Weg von der Uckermark nach Berlin auch austauschen können.“ Kurzum: Die Pflanzen wurden beschlagnahmt und Wurth wurde abgeführt. Auch Ströbeles Intervention bei der Polizei – erst als Anwalt im direkten Gespräch, später als Agitator, „Gebt das Hanf frei“ durchs Mikrofon – nützte nichts.
Eigentlich, so Pütz gestern, hätten ihnen die Polizisten versprochen: „Wenn sich rausstellt, dass es Faserhanf ist, bekommt ihr ihn in zwei Tagen wieder.“ Als die beiden eine Woche später nachfragten, waren die Pflanzen verschwunden. „Acht Wochen später wurden sie gefunden.“
Was aber noch viel peinlicher ist, ist die Sache mit den Gutachten, die die Staatsanwaltschaft bei einem Biochemiker einholte: In dem ersten Gutachten wurde lapidar bescheinigt, dass die Pflanzen THC – der Wirkstoff, durch den ein Rausch entsteht – enthielten. Das zweite Gutachten lautete: Es wurde ein Wirkstoff zwischen 0,1 Prozent und einem Höchstwert von 2,7 Prozent ermittelt.
Mit dem Maximalwert begründete die Staatsanwaltschaft dann ihre Anklage. In einem dritten Gutachten, das Amtsrichter Michael Zimmermann in Auftrag gab und das Grundlage für den Freispruch war, wurde der Wirkstoffgehalt dahingehend eingeordnet: Um eine Rauschwirkung zu erzielen, müsste eine Menge von mindestens 30 Gramm von dem Hanf auf einmal geraucht werden – das aber vertrage kein Mensch.
Ströbeles Kommentar zu dem Prozess: Verschleuderung öffentlicher Gelder. Sein Fazit: Er werde sich weiter nachdrücklich innerhalb der rot-grünen Bundesregierungskoalition für alle Fragen der Legalisierung von Cannabis einsetzen.
Ein Gutes habe das Verfahren immerhin gehabt, stellte Wurths Verteidiger fest: Es gibt die CD „Lasst das Hanf frei“. Den Erlös hat Ströbele im Übrigen zur Häfte der Hanfparade und zur Hälfe einem Drogenpräventionsprojekt gespendet.