: Abschiebung aufgeschoben
Weil ihre behinderte Tochter intensive Pflege braucht, darf Familie M. aus Bosnien erst einmal bleiben. Ob sie auch für längere Zeit eine Aufenthaltserlaubnis bekommt, ist ungewiss. Der Vater hat zu viele Straftaten begangen
Es sieht wieder gut aus für Familie M. aus Bosnien. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat gestern bei einer Anhörung die besondere Härte des Falls betont. Eine Tochter ist schwer behindert und braucht ständige Behandlung. Trotzdem sollten die vier am Freitag nächster Woche abgeschoben werden. Dazu kommt es erst einmal nicht. „Der Abschiebetermin ist definitiv vom Tisch“, sagt Burkhart Person, der Anwalt der Familie, nach der Anhörung erleichtert.
Die offizielle Entscheidung darüber, ob die Abschiebung ausgesetzt wird, kommt schriftlich in den nächsten vier Wochen. „Der Richter hat aber durchblicken lassen, dass er für die Familie entscheiden wird“, so Person. Sollte das passieren, kommt es zur Hauptverhandlung, in der es um eine Aufenthaltserlaubnis für längere Zeit geht, mindestens für zwei weitere Jahre. Im Schnitt dauert es allerdings zwei bis drei Jahre bis zu solch einer Hauptverhandlung. So lange dürften die M.s auf jeden Fall bleiben, schätzt Person.
Andrea, die 16 Jahre alte Tochter, braucht intensive ärztliche Betreuung. Sie ist spastisch gelähmt, kann nicht essen und nicht reden. Ohne Medikamente drohen ihr lebensgefährliche epileptische Anfälle. Die Ärzte glauben nicht, dass Andrea in Bosnien oder Kroatien – dorthin könnte die Familie abgeschoben werden – eine ausreichende Versorgung bekommen würde. In der ersten Instanz hatten die Richter das als keinen ausreichenden Grund anerkannt, die Familie nicht abzuschieben. Auch dass der Vater wegen eines psychischen Traumas in Behandlung ist, wollten sie nicht gelten lassen. Bei der Berufung vor dem OVG sei der Richter eindeutig freundlicher gewesen, meint Anwalt Person. „Er hat betont, wie schlecht es dem Kind geht.“
Für eine langfristige Aufenthaltserlaubnis gibt es noch einige Hindernisse: Der Vater Mirko M. hatte sich zu spät in psychologische Behandlung begeben. Für eine Anerkennung hätte er vor dem 1. Januar 2000 zum Therapeuten gehen müssen, er tat es aber erst elf Monate später. Und er hat in Deutschland Straftaten begangen. Er wurde für zwei Vorfälle zu insgesamt 60 Tagessätzen verurteilt. 50 hätten es maximal sein dürfen. Für den Anwalt liegt er damit in einer „Grauzone“. „Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit“, sagt Person. „Und die liegt im Ermessen des Richters.“ BERNHARD HÜBNER