Aufräumen in Serbien

35 Richter werden entlassen, die Verhaftungen gehen weiter. Auch Medien werden zensiert oder sogar verboten

BELGRAD taz ■ Auf Schritt und Tritt sieht man in Belgrad schwer bewaffnete Polizisten. Autos werden kontrolliert, verdächtige Passanten aufgehalten. Es herrscht eine Atmosphäre wie in einem Polizeistaat. Auffällige, teure Schlitten mit verdunkelten Scheiben, pompöse Jeeps, die sich normalerweise nicht um Verkehrsregeln kümmern, sind von den Straßen verschwunden; ebenso die starken Kerle in schwarzen Lederjacken und mit viel Gold behängt.

Kein Wunder. Nach dem tödlichen Attentat auf Regierungschef Zoran Djindjić hat die Polizei über 800 Personen verhaftet. Darunter auch die Diva der serbischen Volksmusik, die bisher unantastbare Witwe des berüchtigten Freischärlerkommandanten Zeljko Raznatović, genannt „Arkan“, die Freundin der Unterwelt – Ceca. Noch im letzten Sommer sang sie in Belgrad vor rund 100.000 Fans im Fußballstadion „Roter Stern“. Auch mit dem korrupten Justizsystem will die serbische Regierung abrechnen. 35 Richter wurden entlassen, darunter sieben des Obersten Gerichtshofs Serbiens. Und dies soll nur der Anfang sein.

Wieder einmal zeigt sich, wie einfach es ist zu regieren, wenn man eine von Slobodan Milošević gemachte Verfassung im Rücken hat: Man verhängt den Ausnahmezustand und macht, was man will. Die Polizei braucht keinen Haft- oder Durchsuchungsbefehl, die Verhafteten haben kein Recht auf einen Anwalt und können bis zu 30 Tagen eingesperrt werden. Man kann abhören, wen man will, Medien ausschalten und eine Zensur anordnen, Parteien verbieten, genauso wie Proteste oder Streiks. Kurz: man schert sich nicht um lästige Menschenrechte.

In Belgrad begrüßen die meisten Menschen diese Maßnahmen, denn sie sollen einem gerechten Ziel dienen: der Abrechnung mit allen Kräften aus der Milošević-Ära, was man nach der Wende in Serbien 2000 versäumt hatte.

Dass jetzt aber auflagenstarke Tageszeitungen wie Nacional geschlossen oder der Vertrieb von montenegrinischen Zeitungen in Serbien verboten wird, dass eine totale Zensur, was die Berichterstattung über die Untersuchung von Djindjić’ Mord angeht, angeordnet worden ist, dafür haben die Leute dann schon weniger Verständnis.

ANDREJ IVANJI

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