berliner szenen Schlüssel zum Mars

Flipper-Mensch

Wir hatten alles erreicht auf dem alten Flipper. Der neue hieß „Attack from Mars“ und spielte sich zunächst etwas eckig. Die Bahnen waren zu eng, die Kugel kam nicht richtig hoch. Das Gerät schien aus den 80erJahren zu kommen und sah aus, wie die erste Freundin: Metall und blinkende Lampen, Spiegel, Chrom und melancholische Coolness. Es nervte aber, dass der Automat den Abschussmechanismus wegen der Profitmaximierung selbst auslöste, wenn man mit dem Flipperfreund zwischen zwei Bällen reden wollte. Wie immer verging zwischen Sehen und Genießen unglaublich viel Zeit. Die Dinge veränderten sich, bis die Tateinheitskombination Flipper-Mensch entstand, in der sowohl der eine als auch der andere verwandelt und aufgehoben war. In Wirklichkeit ist der Flipper von 95 und man selber nicht mehr schlecht gelaunt, sondern gut, ja brillant an dem Gerät.

Es geht ja immer darum, dass die Marsianer die Welt angreifen und sich ein Land nach dem nächsten vornehmen. Beim ersten Treffer sagt der Flipper zum Beispiel: „The Brandenburger Tor is in danger“ oder „Nobody’s messing with the USA“, später: „Germany ist destroyed“ oder eben die USA. Dann müssen wir lachen. Mein Flipperfreund hält den High Score, obgleich der Wirt, ein geborener Berliner mit blauem Kapuzenpullover, eigentlich mehr Punkte gesammelt hatte. Er nahm das Geld aus dem Flipper, wenn die Kneipe zu war. Er war der Mann mit dem Schlüssel. Als Jugendlicher wärst du doch begeistert gewesen, wenn dir das jemand gesagt hätte, dass du mit Mitte dreißig den Schlüssel zum Flipper hast. Und so lange spielen kannst, wie du willst. In der leeren Kneipe, in der Nacht. „Und nun … ist es ja eigentlich immer noch schön.“

DETLEF KUHLBRODT