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Archiv-Artikel

Krieg ist nicht Gottes Wille

Die christlichen Kirchen in Deutschland protestieren öffentlich gegen den Beginn des Irakkriegs. Ihre Amtsträger sind so empört wie hilflos

„Wir warten auf den Engel, der dareinredet“

von PHILIPP GESSLER

Die Mühlen der Kirchen mahlen manchmal Jahrhunderte. Anders beim Waffengang am Golf. Hier fanden die deutschen Großkirchen überraschend schnell zu einer Position. Es war ein klar ablehnendes Votum, und eines im Vorfeld des Krieges zudem.

Es begann alles mit einer Polterei des Papstes bei einem Diplomatenempfang Mitte Januar: „Krieg ist niemals ein unabwendbares Schicksal. Krieg bedeutet immer eine Niederlage für die Menschheit“, sagte der Pontifex maximus. „Krieg ist nicht einfach ein anderes Mittel, das man anwenden kann, um Konflikte unter Nationen zu regeln.“

Eine Woche später legten seine hiesigen Bischöfe nach: „Ein Präventivkrieg wäre sittlich unerlaubt“, erklärte die Bischofskonferenz. Eine Sicherheitsstrategie, die sich zu einem vorbeugenden Krieg bekenne, „steht im Widerspruch zur katholischen Lehre und zum Völkerrecht“: „Ein präventiver Krieg ist eine Aggression, und er kann nicht als gerechter Krieg zur Selbstverteidigung definiert werden.“

Die Oberhirten von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) äußerten sich wenige Tage später ähnlich – und ebenso deutlich: „Aus ethischen und völkerrechtlichen Gründen“ lehne die EKD den Krieg ab: „Es sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, den Irakkonflikt auch friedlich zu lösen.“ EKD-Ratsvorsitzender Manfred Kock organisierte Anfang Februar zudem einen Appell von knapp 20 protestantischen und orthodoxen Kirchenoberhäuptern aus den USA und dem Nahen Osten. Sie mahnten: „Ein präventiver kriegerischer Angriff als Mittel, um die Regierung eines souveränen Staates auszuwechseln, ist unmoralisch und stellt eine Verletzung der UN-Charta dar.“

„Wie viele Divisionen hat der Papst?“, soll Stalin einst gespottet haben – der Einspruch der katholischen Weltkirche und fast aller protestantischen und orthodoxen Kirchen des Erdballs verpuffte wirkungslos. Als vergangenen Donnerstag die ersten Bomben auf Bagdad fielen, wurde ihnen deutlich vor Augen geführt, dass Gebete, Appelle und ihr prominente Rolle in der wieder erstarkten Friedensbewegung nichts gebracht haben.

Entsprechend deprimiert war die Reaktion der Oberhirten: „Kirchen und christliche Gemeinschaften wie auch viele Menschen weltweit, die vor einem solchen Schritt gewarnt hatten, empfinden in diesem Moment große Trauer“, hieß es in einer Erklärung der Bischofskonferenz, der EKD und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Der deutsche Generalsekretär des Weltkirchenrates, Konrad Raiser, nannte den Krieg „unmoralisch und illegal“. Der Angriff ignoriere die „Stimme der Zivilisation, der Kirchen und anderer Glaubensgemeinschaften“ in den betroffenen Ländern. Und weltweit.

Was nun tun? Viele Glocken in ganz Deutschland läuteten aus Protest gegen den Krieg. Den Bischöfen dagegen verschlug es zunächst fast die Sprache: „Zeiten des Krieges sind nicht Zeiten großer Worte“, erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. Etwas hilflos rief er alle Gläubigen dazu auf, den Kreuzweg und den Rosenkranz zu beten – als Ausdruck der Solidarität mit den Opfern des Irakkrieges. Diese Gebete ließen die „bedrückende Sprachlosigkeit“ überwinden. „Ich kann nur hoffen, dass der Schrecken bald ein Ende hat“, sagte Lehmanns evangelisches Pendant Kock. Es erfülle ihn mit großer Trauer, „dass dieses Leid nicht zu verhindern war“. Es gehe bei diesem Krieg um die Durchsetzung einer strategischen Vormachtstellung der USA im Nahen Osten. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, bekräftigten Lehmann und Kock.

Friedensgebete, Friedenswallfahrten und Sternmärsche für den Frieden gibt es nun überall in Deutschland, angeregt von den evangelischen und katholischen Bischöfen in ihren jeweiligen Diözesen und Landeskirchen. Die rheinische evangelische Kirche startete eine Kampagne mit rund 10.000 Plakaten. Motto: „Aufstehen für Frieden und Gerechtigkeit“. Zu sehen sind zwei Kinder zwischen den Trümmern eines Hauses.

Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen erhofft, so poetisch wie fromm, Hilfe von oben: „Wir warten auf den Engel, der dareinredet, der die Bomben und Panzer aufhält, der die Kampfparolen ungesagt werden lässt, sie nicht weiterleitet, der sich Bush und den anderen, die diesen Krieg angefangen haben, in den Weg stellt und sagt: Friede auf Erden.“ Was sonst können Kirchen tun?