: Der Rasputin des Fujimori-Regimes
Perus ehemaliger Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos muss fünf Jahre in Haft – es kommt noch mehr
Er hat wochenlang gegenüber seiner Richterin geschwiegen. Kein Wort zu den gegen ihn geäußerten Vorwürfen. Am Montag schließlich wurde zum ersten Mal in einem öffentlichen Verfahren ein Urteil gegen den ehemaligen Geheimdienstmann Vladimiro Montesinos in Peru gefällt: Fünf Jahre und vier Monate lang muss Montesinos im Gefängnis dafür büßen, dass er seine Beziehungen für den Falschen hat spielen lassen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Montesinos dem Bruder seiner Geliebten zu einer Begnadigung durch Präsident Alberto Fujimori verholfen hat – der heimliche Schwager saß wegen Drogengeschäften im Gefängnis.
Verglichen mit dem, was noch auf Montesinos zukommt, war das Verfahren wegen Vetternwirtschaft eine Lappalie. Über 54 Anklagen hat die Staatsanwaltschaft gegen Montesinos geschrieben, all die Prozesse stehen noch aus. Die Liste reicht von Erpressung und Korruption bis zu Mord, Folter und Drogenschmuggel.
Dabei war Montesinos' Karriere zunächst von Pannen überschattet. Nach der Ausbildung trat er in die Armee ein, flog aber bald wieder raus: Er hatte dem US-Geheimdienst CIA zu viel erzählt. Doch sein Rausschmiss hinderte ihn nicht daran, wieder ganz nach oben zu kommen. Kurz bevor Alberto Fujimori Präsident wurde, lernte ihn Montesinos – inzwischen Rechtsanwalt – auf einer Party kennen.
Zehn Jahre lang war Montesinos der starke Mann an der Seite von Fujimori. Und es war Montesinos, über den Fujimori schließlich stürzte. Als dessen Herrschaft im Jahr 2000 wankte, tauchten Videobänder auf, auf denen Montesinos einem Abgeordneten Bargeld zusteckte. Das war der Beweis, der dem Regime das Ende bereitete. Fujimori flüchtete nach Japan, der Heimat seiner Eltern, ins Exil. Montesinos verschwand nach Panama, wurde schließlich im Juni 2001 in der venezolanischen Hauptstadt Caracas verhaftet und kurz darauf an Peru ausgeliefert. Seither sitzt er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Gefängnis der Hafenstadt Callao, nahe Lima. Und er schweigt bei fast allen Verhören.
Montesinos gibt sich als Angeklagter so zurückhaltend wie als Sicherheitsberater Fujimoris. Während Fujimori in der Öffentlichkeit den allmächtigen Präsidenten gab, waltete Montesinos im Hintergund. Bereits im Jahr 1992 soll Montesinos den Putsch Fujimoris eingefädelt haben, bei dem der Präsident Parlament und Senat auflöste, die Richter nach Hause schickte und auf den Straßen Panzer gegen die Demokratie in Stellung gingen.
Bis dahin gab es noch nicht einmal ein Foto von Montesinos – was der Mythenbildung nur dienlich war. Der Mann ohne Gesicht kontrollierte den Geheimdienst, bestimmte, wer beim Militär General werden konnte, und suchte die Richter des Obersten Gerichtshofs aus.
Eng wurde es für den Rasputin des Regimes, als im August 1996 ein Drogenschmuggler vor Gericht aussagte, er habe pro Monat 50.000 Dollar an Montesinos überwiesen. Im Gegenzug erhielten seine Kleinflugzeuge auf Pisten im peruanischen Urwald Start- und Landeerlaubnis. Nachdem der gesprächige Schmuggler in seiner Zelle mit Elektroschocks bearbeitet wurde, konnte er diese Behauptung nicht mehr wiederholen – Montesinos war aus der Schusslinie.
INGO MALCHER