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Archiv-Artikel

Die Zähne leiden fast immer

Natürliche Süßmittel werden immer beliebter: Doch nur selten sind sie eine gesunde Alternative zu Zucker

Vorbei sind die seligen Zeiten, als man noch – ohne schlechtes Gewissen – teelöffelweise Zucker in den Kaffee deponieren konnte. Denn das Zucker-Image ist ziemlich am Boden. Nicht nur, dass er Karies und Übergewicht fördert, angeblich soll er auch die Basis für schädliche Darmpilze schaffen und unserem Körper wichtige Vitamine rauben.

Vorwürfe, die zu denken geben und den Blick der Konsumenten auf süße Alternativen lenken. Und hier geraten in den letzten Jahren verstärkt natürliche Süßungsmittel in den Blickpunkt, mit der Hoffnung, damit auch etwas Gesundes im Kaffee schwimmen zu haben. Doch gerade diese Hoffnung ist wohl eher trügerisch.

Die meisten der natürlichen Süßmittel sind nämlich gar nicht gesünder als der weiße Industriezucker. Am besten schneidet noch der Honig ab, bei dem einige Studien einen sanften antibiotischen und Schleim lösenden Effekt finden konnten.

Antje Zellmer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung warnt jedoch davor, „seine medizinischen Effekte zu überschätzen“. Außerdem trägt Honig sogar noch mehr zur Kariesbildung bei als Zucker, weil er aufgrund seiner klebrigen Konsistenz länger an den Zähnen haftet. Dafür bietet er laut Zellmer „weitaus mehr geschmackliche Facetten als Zucker“. Allein das macht ihn wieder zu einer wertvollen Alternative zum Zucker.

Die dunkle und sirupartige Melasse wird gerne als Mineralienbombe gepriesen, „doch ihr Magnesium- und Eisengehalt“, warnt die Gießener Ökotrophologin Ulrike Berges, „ist nur im Vergleich mit anderen Süßungsmitteln als hoch zu bezeichnen“. Ansonsten ist Melasse nämlich nichts anderes als ein Abfallprodukt, das bei der herkömmlichen Zuckerherstellung aus Zuckerrohr anfällt. Von einer „unentbehrlichen Energie- und Mineralienquelle“, wie von den Anbietern ihr Produkt angepriesen wird, keine Spur.

Auch der braune Rohrzucker ist ein Zwischenprodukt aus der Herstellung von weißem Zucker. Er ist nicht gereinigt und erhitzt und enthält dadurch mehr Feuchtigkeit und Sirupreste, doch die machen ihn, wie Zellmer betont, „braun, aber nicht wertvoller als weißen Zucker“.

Einige braune Zucker werden sogar derart hergestellt, dass man weißem Zucker nachträglich Melasse und Färbemittel zumischt. Von einem Naturprodukt kann da keine Rede sein, und die Vitamin- und Mineralgehalte liegen ebenfalls nahe der Nullgrenze.

Als weiterer natürlicher Zuckerersatz kommen mittlerweile auch Dicksäfte aus Südseefrüchten zum Einsatz, besonders im Trend ist zurzeit der Agavendicksaft. „Die meisten der in den Früchten enthaltenen Vitamine gehen jedoch beim Herstellungsprozess verloren“, weiß die Ernährungswissenschaftlerin Zellmer.

Und auch der Mineraliengehalt ist eher mäßig. Dafür enthalten die Säfte der so genannten Blauen Agave große Mengen an Inulin, einem Mehrfachzucker, der das Wachstum nützlicher Darmbakterien anregt und dadurch die Darmflora unterstützt.

Doch auch hier gibt es einen Haken: Die Blaue Agave wird in Mittel- und Südamerika hauptsächlich zur Herstellung von Tequila genutzt, so dass viele der hierzulande angebotenen Dicksäfte von der wilden Agave stammen – und die enthält weniger Inulin als vielmehr ganz normalen Einfachzucker. JÖRG ZITTLAU