: „Deutsche Sender sind furchtbar“
Interview HARALD FRICKE
taz: Frau Schelhorn, Sie haben für „imagesagainstwar“ Fotoarbeiten von 350 Künstlern zusammengestellt, die den Krieg im Irak kritisieren. Das ist ein Guinessbuch-verdächtiger Rekord. Soll die Ausstellung ein Ansporn für die demonstrierenden Menschenmengen sein?
Tina Schelhorn: Warum nicht? Vor allem geht es aber um eine Demonstration der Bilder gegen Krieg im Allgemeinen. Schnell und unkompliziert habe ich mich per E-Mail an die Fotografen gewandt. Da die meisten Fotos in digitaler Form ankamen, ergab sich daraus sofort die Idee einer Website. So ist eine Netz-Ausstellung mit vielfältigen Statements gegen Krieg entstanden, die ständig weiterwächst. Ich bin weltweit sehr gut mit der Fotoszene vernetzt, weil ich neben der Galerie, die ich seit 17 Jahren betreibe, auch ein Fotofestival organisiere. Dadurch gibt es schon einen großen Pool an Fotografen, auf die man bei einer solchen Aktion bauen kann.
Dann geht die ganze Sammlung allein auf Ihr Konzept zurück?
Ja, ich sitze seit sieben Wochen daran. Das es so viele werden, habe ich allerdings nicht erwartet. Mittlerweile sind bestimmt 100 Leute dazugekommen, die ich vorher gar nicht kannte. Fotografen, die ich angeschrieben habe, haben die Anfrage wieder weitergemailt, das ist so ein Schneeballsystem.
Viele der Beteiligten stammen aus Polen, Japan oder Spanien – aus Ländern also, die den Krieg befürworten. War das für Sie ein besonderes Anliegen?
Nein, die Spanier sind auch sonst sehr aktiv. Dort gibt es auch die Internetseite www.fotografoscontralaguerra.org, die von revista foto, einer sehr engagierten Fotozeitung aus Madrid, gemacht wird.
Ein großer Teil der Bilder greift auf Montagetechniken zurück, die schon von John Heartfield bekannt sind, auch von Klaus Staeck. Ist Fotografie immer noch das am besten geeignete Medium für widerständigen Ausdrucksformen?
Ich glaube schon. Das, was wir vom Krieg sehen, sind fotografierte Bilder, egal, wie auch immer zensiert oder nicht zensiert sie daherkommen. Auch die Besucher haben ja ein Bedürfnis, Bilder zu sehen, die sich mit dem Krieg beschäftigen. Umgekehrt können Fotografen einfacher und schneller auf den Krieg reagieren als etwa Maler, die sich mit ihrem Medium ganz anders und viel zeitaufwendiger auseinander setzen müssen.
Bis auf einige Rekonstruktionen historischer Aufnahmen finden sich kaum Fotos mit direkten Kriegshandlungen. Warum haben Sie auf diese konkreten Darstellungen verzichtet?
Das hat sich von alleine ergeben. Glücklicherweise muss ich sagen, denn am Anfang wusste ich ja nicht, was kommt. Es hätte ja sein können, dass nur Friedenstauben, Stacheldrahtzäune und Tote als Statements geliefert werden. Insofern bin ich froh, dass das Material dermaßen unterschiedlich ist. So können die einzelnen Bilder miteinander wirken, sie geben den Besuchern einen Freiraum für eigene Gedanken. Manchmal reichen kleine Andeutungen viel weiter als Bilder, auf denen Gräueltaten zu sehen sind. Dazu kann man sich selbst etwas vorstellen. Die Aufnahmen mit Blut und Terror kennt man dagegen aus den Magazinen, da blättert man oft bloß weiter, weil man sich damit nicht zu sehr auseinander setzen will.
Ihr Gegenentwurf in Zeiten von Propagandaberichten und Mediendiskurs?
Wobei ich diesmal die Medien in Schutz nehmen muss, ich arbeite ja selbst mit einem Medium, nämlich dem Internet, wo ich ununterbrochen nach Bildern suche. Auch im Fernsehen ist die Berichterstattung weit differenzierter geworden, zwar nicht bei den deutschen Sendern, das ist furchtbar, sehr einseitig, aber bei den anderen muss man sich nur den Querschnitt angucken, da finden sich gewaltige Unterschiede. Und wenn man schließlich bei den Fotoagenturen nachschaut, dann entdeckt man schon sehr gute Bildstrecken, die genau recherchiert sind. Nur frage ich mich manchmal: Wo tauchen die nachher tatsächlich in den Printmedien auf?
Die Vielzahl der eingereichten Fotos macht eine Auswahl sicher schwer. Trotzdem muss man aufpassen, wenn etwa ein Künstler wie Paul Maggoo Collagen einreicht, auf denen Davidsterne anstelle der Bundesstaaten auf der US-Flagge zu sehen sind – da ist die antisemitische Propaganda von der „jüdischen Weltverschwörung“ ziemlich nahe. Warum haben Sie dieses fragwürdige Statement zugelassen?
Ich habe mich dabei sehr genau gefragt, ob ich eingreifen muss, schon weil ich in meiner Galerie sehr häufig mit Israel zu tun habe. Für mich ist das ein Statement, und ich will das nicht ausgrenzen. Political Correctness ist nicht meine Sache, zumal in diesen widersprüchlichen Zeiten.
Die meisten Bilder, die gegen den Krieg gerichtet sind, kommen nicht um dessen Darstellung herum. Schon aufgrund der Fakten wird der Betrachter an den Ausnahmezustand gewöhnt, der Krieg wird mit jedem Bild mehr zur Normalität. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?
Nur wenn man sich die einzelnen Bilder genauer anschaut, wächst auch die Konzentration wieder. Umgekehrt haben wir Computerspiele, Kriegsfilme oder Actionszenen, die uns auch ständig im Alltag begleiten. Wenn ich ein Standfoto aus einem Kriegsfilm nehme, sieht es nicht sonderlich anders aus als die momentane Realität in der Wüste im Irak. In der Ausstellung können die Besucher dagegen fast meditativ an die Aufnahmen herangehen, sie laufen nicht einfach so willkürlich ab wie im Fernsehen.
Offenbar gibt es sogar Leute, die im E-Mail-Forum Ihrer Homepage nach T-Shirts mit Antikriegsmotiven gefragt haben. Wäre das nicht ein Markt, der die Kriegsgegner zugleich mit Images versorgt?
Ja, das habe ich auch gesehen. Aber für so eine Vermarktung habe ich gar keine Zeit, und das ist auch gar nicht der Ansatz. Es wäre zwar schön, die Unkosten abzudecken, trotzdem bin ich gegenüber solchen Aktivitäten eher misstrauisch. Wenn von den Fotos T-Shirts produziert werden, weiß ich doch nichts über den Zusammenhang.
In den Siebzigerjahren gab es Robert Capas Soldatenfoto mit der Aufschrift „Why?“. Das hing damals in jedem Teenagerzimmer. Könnte es nicht an der Zeit sein, die alten Ikonen gegen neue Bilder auszutauschen – das Bewusstsein, etwas gegen den Krieg machen zu wollen, ist ja schließlich auch in der Gegenwart angekommen?
Natürlich ändert sich immer etwas. Ich selbst bin aus der 68er-Generation, ein Hippiefossil. Damals haben wir demonstriert, und jetzt geht die heutige Generation mit auf die Straße. Nehmen Sie das Bild des Chinesen Liu Jing. Er hat das berühmte Foto einer Erschießung in Südvietnam mitten in Peking nachgestellt. Und er hat damit einen Klassiker der Antikriegsfotografie für die heutige Zeit umgesetzt. Hinter jedem Bild stehen viele andere Erfahrungen und Querverweise auf weitere Bilder. Die Erinnerung an die politische und ästhetische Spur will „imagesagainstwar“ wach halten.