: „Propaganda-Kampagne“
Nachdem der DFB erfolglos gegen den Sportjournalisten Jens Weinreich vorzugehen versuchte, will der nun klagen
DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach ist einer der mächtigsten Männer im deutschen Sport. Am Freitag hat er eine E-Mail an andere mächtige Sportführer geschrieben. Darin stellt sich der Verband hinter seinen Präsidenten Theo Zwanziger in dessen Auseinandersetzung mit dem Journalisten Jens Weinreich.
Der hatte Zwanziger in einem Blog als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet. Zwanziger fühlte sich diffamiert und versuchte, eine Unterlassungserklärung zu erwirken. Zweimal scheiterte er damit vor Berliner Gerichten. Zwanziger kündigte an, in Koblenz, wo er einst Richter und Regierungspräsident war, erneut zu klagen. In Weinreichs Blog wird die Auseinandersetzung dokumentiert. Wolfgang Niersbach schreibt, eine solche Diffamierungskampagne sei „nicht hinnehmbar“. Die Gerichtsurteile werden verschwiegen. Niersbach macht Stimmung gegen den freien Journalisten. Der sieht seine Existenz bedroht.
Lange Jahre leitete Weinreich das Sportressort der Berliner Zeitung. Sein Fachgebiet ist die Sportpolitik. Immer wieder hat er gegen die Korruption in den großen Sportverbänden angeschrieben. Die Fifa hat ihn einst zur Persona non grata erklärt – für Weinreich sicherlich eine Auszeichnung. Um das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken, greift er gern zu markigem Vokabular – auch in seinem Blog jensweinreich.de. Als Zwanziger sich bei einer Veranstaltung für die von Weinreich abgelehnte 6+5-Regel einsetzt, mit der gewährleistet werden soll, dass Klubs vor allem einheimische Spieler einsetzen, sieht Weinreich einen Redner, der „durchdreht“, einen „unglaublichen Demagogen“. Auf die von Zwanziger angestrengte Auseinandersetzung reagiert er zunächst gelassen. Als Niersbach seine E-Mail abschickt, ist er entsetzt. Er sieht die Meinungsfreiheit von dieser „Propaganda-Kampagne“ bedroht. In der DFB-Pressemitteilung findet er 18 Unwahrheiten, „Lügenkomplexe“. Jetzt will Weinreich juristische Schritte einleiten. Es ist die Auseinandersetzung eines journalistischen Einzelkämpfers gegen einen mächtigen Verband. Ausgang ungewiss. ANDREAS RÜTTENAUER