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Archiv-Artikel

Wieder Überraschungen im Gesetzblatt

Hinzuverdienstgrenzen für Erwerbslose sollen für Empfänger von Arbeitslosengeld II ab nächstem Jahr niedriger ausfallenals bisher. Regelungen stehen schon im Sozialgesetzbuch II. Grüne: „Wir müssen nachbessern.“ SPD weiß noch von nichts

VON BARBARA DRIBBUSCH

Schon eigenartig, wie hierzulande Gesetze entstehen. Politiker streiten monatelang über geplante Neuregelungen und stürzen sich in gewagte Versprechungen – und dann ist das, was am Ende im Gesetz steht, für die Beteiligten selbst eine große Überraschung. Jüngstes Beispiel: die niedrigen Freibeträge beim Hinzuverdienst für Langzeitarbeitslose, die laut Gesetzblatt ab 2005 gelten sollen.

Die Freibeträge sind ungünstiger als alle Grenzen, die bisher in Kraft sind. „Eine Panne“, hieß es gestern bei den Grünen zum neuen Gesetz, „da ist uns was durchgerutscht.“ Nun will man nachbessern. Das Thema sei schon im rot-grünen Koalitionsausschuss gelandet, sagte gestern die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, der taz. Man wolle darauf drängen, wieder „im unteren Bereich“ einen „absoluten Freibetrag“ einzuführen. Aus dem Büro des Vorsitzenden des Wirtschafts- und Arbeitsausschusses, Rainer Wend (SPD), verlautete gestern allerdings, Wend wisse über den Vorgang „noch nichts“.

Bisher dürfen Empfänger von Arbeitslosengeld oder -hilfe 165 Euro im Monat hinzuverdienen, ohne dass ihnen das Geld auf die Stütze angerechnet wird. Bei Sozialhilfeempfängern liegt die Grenze bei ungefähr 75 Euro, ist aber regional unterschiedlich ausgestaltet. Beide Gruppen bekommen ab dem Jahr 2005 das so genannte Arbeitslosengeld II (ALG II), dessen Bedingungen erst unlängst verabschiedet wurden und jetzt im Sozialgesetzbuch II nachzulesen sind.

Laut der verabschiedeten Neuregelung dürfen die ALG-II-Empfänger künftig bei einem Bruttolohn bis zu 400 Euro nur 15 Prozent des Geldes behalten, auch bei höherem Verdienst gibt es nur prozentuale Freibeträge. Wer also beispielsweise im Monat 200 brutto durch Arbeit nach Hause bringt, darf künftig davon nur 30 Euro behalten. Das sei „nicht gerade ein Anreiz“, sich um einen Job zu bemühen, räumte der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, gestern ein.

Die Sozialexpertin der Gewerkschaft IG BAU, Annelie Buntenbach, beurteilt die Neuregelung allerdings weitaus drastischer: „Die Verschlechterung bei den Hinzuverdienstgrenzen verschärft die Armut und drängt die Betroffenen eher in die Schwarzarbeit.“

Nach Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit jobbt jeder achte Empfänger von Arbeitslosengeld oder -hilfe noch legal nebenbei. Wie der Jobexperte im Bundesarbeitsministerium, Rolf Schmachtenberg, unlängst mitteilte, schöpfe in den neuen Bundesländern sogar fast jeder dritte Arbeitslose die Hinzuverdienstgrenzen bei Nebentätigkeiten voll aus. Unter den als erwerbsfähig eingestuften Sozialhilfeempfängern jobbt jeder sechste bis siebte noch legal nebenbei.

Rot-grüne Sozialpolitiker hatten zuvor immer betont, dass mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum ALG II die Hinzuverdienstgrenzen erhöht und ein stärkerer Arbeitsanreiz geschaffen werden sollen. Kanzler Schröder hatte die Anhebung der Verdienstgrenzen als wichtigen Punkt der Agenda 2010 genannt.

Eine allzu starke Anhebung der Verdienstgrenzen wurde allerdings von Experten immer auch kritisch gesehen: Dadurch könnten nämlich Erwerbstätige, die heute wenig verdienen, künftig einen Anspruch auf Aufstockung ihres Gehaltes erlangen. Auch könnten sich Arbeitslose dann mit ihren Nebenjobs auf Dauer einrichten.

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