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Archiv-Artikel

Schleusung ohne staatliche Billigung

Auswärtiges Amt gekränkt vom Vorwurf eines Kölner Richters. Dieser hatte behauptet, dass Anweisungen an die deutsche Botschaft in der Ukraine kriminellen Schleusern das Handwerk erleichtern: „Putsch des Auswärtigen Amts gegen Gesetzeslage“

AUS BERLIN BARBARA OERTEL

Das Auswärtige Amt (AA) weist Vorwürfe des Kölner Landgerichts, wonach deutsche Behörden kriminelle Schleuser unterstützen, entschieden zurück. Er wolle zwar keine Richterschelte betreiben, sagt AA-Sprecher Walter Lindner. Aber „die überschäumende Sprache verwundert doch etwas“. Der Fall rechtfertige manches im Ton der mündlichen Urteilsbegründung nicht.

Anfang der Woche hatte das Kölner Gericht den Chef einer ukrainischen Schleuserbande wegen der Einschleusung von 567 Ukrainern in Staaten des Schengener Abkommens zu fünf Jahren Haft verurteilt. Unter anderem hatte der 40-Jährige sich so genannte Bürgschaften (Einladungen) bei Arbeitslosen, Drogenabhängigen und Sozialhilfeempfängern in Deutschland für jeweils rund 25 Euro erschlichen und an reisewillige Ukrainer verkauft. Außerdem betrieb er einen schwunghaften Handel mit so genannten Reiseschutzversicherungen.

Eine Bürgschaft, mit der sich der Unterzeichnende verpflichtet, für alle entstehenden Kosten seines Gastes aufzukommen, ist eines der Dokumente, das ein Ukrainer in der deutschen Botschaft in Kiew vorlegen muss, um ein Besuchsvisum für Deutschland zu erhalten. Bis Juni 2002 war statt der Bürgschaft auch die Vorlage einer Reiseschutzversicherungspolice möglich.

Nach Meinung des Vorsitzenden Richters Ullrich Höppner ist der Hauptangeklagte zumindest indirekt durch das Auswärtige Amt unterstützt worden. Höppner nannte hierzu den „Volmer-Erlass“, der die Botschaften anwies, in Zweifelsfällen für eine Visumserteilung zu entscheiden. Dieser Erlass habe dazu geführt, dass die deutsche Botschaft den Reisezweck der Antragsteller von Touristenvisa nicht mehr hinreichend geprüft habe.

Die Folge sei gewesen, dass allein im Jahre 2001 300.000 Personen über die deutsche Auslandsvertretung in die Schengen-Staaten eingereist seien. Viele von ihnen hätten sich dort als Schwarzarbeiter, Erntehelfer oder Prostituierte verdingt. „Das war ein kalter Putsch der politischen Leitung des Auswärtigen Amtes gegen die bestehende Gesetzeslage“, sagte Höppner.

Des Weiteren bezeichnete es der Richter als einen „politischen Skandal“, dass ein „unseriöser Geschäftsmann“ mit Billigung des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes bis zum Frühjahr 2003 Reiseschutzversicherungen ausstellen durfte. Bei dem „unseriösen Geschäftsmann“ handelt es sich um den Inhaber der Reise-Schutz AG, Heinz Kübler, gegen den derzeit ebenfalls wegen gewerbsmäßiger Schleusung ermittelt wird. In einer Weisung vom Sommer 2001 unter anderem an die Botschaft in Kiew wird die Reise-Schutz AG noch als „ein vertrauenswürdiges deutsches Unternehmen“ bezeichnet.

Dass die deutsche Botschaft von Kübler ausgestellte Papiere für eine Visa-Erteilung akzeptierte, habe „etwas mit Protektion zu tun, wenn nicht gar mit Korruption“, sagte der Richter. Laut Oberstaatsanwalt Egbert Bülles hätten die Ministerien seit Anfang 2001 durch Presseberichte, Informationen des Bundeskriminalamtes und des Bundesgrenzschutzes von den Schleusungspraktiken wissen und die Botschaft informieren müssen.

Demgegenüber weist der im Urteil viel gescholtene Volmer-Erlass vom 3. März 2000 lediglich darauf hin, dass bei der Feststellung der Rückkehrbereitschaft des Antragstellers im Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden sei. Nach Angaben von Regine Appenroth, Sprecherin der Kölner Staatsanwalt, ermittelt ihre Behörde aufgrund einer anonymen Anzeige bereits seit Mitte 2002 in diesem Zusammenhang gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Ausländergesetz.

Das Auswärtige Amt hat mit dem Pauschalvorwurf, der jetzt gegen die Diplomaten im Raum steht, seine Schwierigkeiten. „Wir haben größtes Interesse daran, dass die Missbrauchsvorwürfe aufgeklärt werden“, lässt das AA erklären. Aber solange keine konkreten Namen genannt würden, sei es unmöglich, gegen die Betreffenden disziplinarrechtlich vorzugehen. Sollten Korruptionsvorwürfe bekannt werden, werde entschieden gehandelt. So gebe es mittlerweile einen Sonderinspekteur für Korruptionsvorsorge. Dieser wurde auch bereits tätig. So wurden vor einigen Jahren ein deutscher Mitarbeiter der Botschaft in Kiew sowie 16 ortsansässige Mitarbeiter wegen Korruptionsvorwürfen entlassen.