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Archiv-Artikel

HAITI BEWEIST: REGIMEWECHSEL IST GANZ EINFACH Das Völkerrecht und die Prinzipienlosigkeit

Sage keiner, die UNO wäre ein schwerfälliges Entscheidungsorgan. Haitis Präsident Jean-Bertrand Aristide hatte am Sonntag gerade erst sein Land verlassen, da autorisierte der UN-Sicherheitsrat am gleichen Abend die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe in den Karibikstaat. Die außerordentliche Sicherheitsratssitzung – an einem Sonntagabend – dauerte laut Protokoll drei Minuten. Die einstimmig angenommene Resolution 1529 sprach vom „Rücktritt von Jean-Bertrand Aristide als Präsident von Haiti“, obwohl von diesem zu diesem Zeitpunkt keine Rücktrittserklärung vorlag.

So schnell wird ein Putsch rechtens, wenn die internationale Gemeinschaft es will. Die Sicherheitsratsresolution 1529 wurde sicherlich nicht erst am Sonntag geschrieben, und die in Haiti eingreifenden US-Amerikaner und Franzosen wurden sicherlich nicht erst nach ihrer Verabschiedung in Marsch gesetzt. Erst am Donnerstag hatten die USA und Frankreich vor dem Sicherheitsrat ein militärisches Eingreifen in Haiti öffentlich abgelehnt und forderten eine vorherige politische Lösung. Gleichzeitig setzten sie ihre eigene Militärintervention in Gang, die sie am Sonntag schnell absegnen ließen. Die von ihnen geforderte „politische Vereinbarung“ bestand offenbar allein im Abgang des haitianischen Präsidenten. Der fügte sich in sein Schicksal.

Das war auch gut so, denn Aristide war zwar demokratisch gewählt, aber sein Regime war zur Gefahr für die eigene Bevölkerung geworden. Doch was sagen denn nun die Fundamentalisten in Paris und auch in Berlin, die vor einem Jahr jeden von außen orchestrierten Regimewechsel im Irak strikt ablehnten und vor der Zerstörung des Völkerrechts warnten? Hätten sie damals genauso im Sicherheitsrat mit den USA kooperiert wie heute, dann hätte es für den Sturz Saddam Husseins ein UN-Mandat geben können. Im Namen welchen Prinzips stellten sich damals Frankreich und Deutschland quer und machen heute mit?

So paradox kann Politik sein. Der Regimewechsel im Irak war richtig, obwohl es kein UN-Mandat gab. Der Regimewechsel in Haiti ist richtig, obwohl es eines gibt. DOMINIC JOHNSON