DGB sperrt Schröder aus

Gewerkschaften lassen Treffen mit SPD-Spitze überraschend platzen. Kluft zu Schröders Agenda 2010 nicht überbrückbar. SPD-Generalsekretär will dennoch positive Entwicklung erkennen

BERLIN taz ■ Die Gewerkschaften haben den direkten Dialog mit der SPD abgebrochen. Eine gemeinsame Sitzung von Gewerkschaftern und SPD-Spitze gestern Abend, des so genannten SPD-Gewerkschaftsrats, wurde auf Wunsch der Arbeitervertreter kurzfristig abgesagt. Zuvor hatte bereits ein gemeinsames Frühstück von Bundeskanzler Gerhard Schröder und DGB-Chef Sommer keinerlei Ergebnis gebracht. Daraufhin hatten die DGB-Gewerkschaften sich nicht mehr über ihre weitere Strategie einigen können. Die beiden größten Einzelgewerkschaften, IG Metall und Ver.di, drängten auf eine kompromisslose Linie gegenüber dem ebenso kompromisslosen Kanzler. DGB-Chef Sommer dagegen hatte noch nach dem Frühstück gesagt: „Der DGB möchte raus aus dem Spiel: Wer setzt sich durch?“

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz bedauerte die Absage pflichtschuldigst. Das Treffen werde nach dem Sonderparteitag am 1. Juni nachgeholt. Scholz versuchte, den Streit der Gewerkschaften als Punktsieg für die Regierung zu verbuchen: Die Absage sei vielleicht auch positiv zu werten, weil man sich in den Gewerkschaften nicht sicher sei, ob man die ein oder andere Reform nicht mittragen sollte, sagte er. Regierungssprecher Béla Anda sekundierte: Die Entwicklung der letzten Tage beweise, dass die Unterstützung für Schröder „selbst im kritischen Umfeld“ wachse. Damit meinte er auch die zweite Regionalkonferenz der SPD in Nürnberg am Montagabend, bei der sich vorwiegend Unterstützer des Kanzlers geäußert hatten.

Davon offenbar beflügelt, teilte Fraktionschef Franz Müntefering mit, dass man den innerparteilichen Kritikern um keinen Deut entgegenzukommen gedenke: Bei der Reformagenda würden keine Zugeständnisse gemacht: „Warum sollten wir ihnen auch etwas anbieten? Die Dinge, über die wir sprechen, sind Notwendigkeiten aus der Situation, in der wir leben“, sagte er im Radio.

Ob der DGB sich tatsächlich spalten lässt, ist allerdings fraglich. DGB-Chef Sommer betonte gestern, sämtliche Kritikpunkte an Schröder und seiner Agenda blieben bestehen. Der Sprecher der IG Metall, Claus Eilrich, spielte den Ball ebenfalls zurück: „Schröder hat das Signal auf Rot gestellt“, sagte er und kündigte an, die Gewerkschaften würden vom 12. bis 17. Mai eine Aktionswoche durchführen und am 24. Mai zu bundesweiten Kundgebungen gegen die Reformen aufrufen. Eilrich: „Wir werden den Druck so weit erhöhen, bis es auf der anderen Seite Gesprächsbereitschaft gibt.“ HEIDE OESTREICH

brennpunkt SEITE 3, inland SEITE 6meinung SEITE 12