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: „Es sagt das Zündel-Abc: Nur Mercedes-Porsche-BMW“

Der Wonnemonat Mai wird oft überbewertet

Alles neu macht der Mai – so heißt es in einem weit verbreiteten Sprichwort. Aber stimmt das Sprichwort? Der Mai gilt als der Wonne-, Liebes- und Frühlingsmonat, der Monat, in dem in der Natur das stärkste Wachstum stattfindet. Deshalb dienen wohl auch die meisten Maibräuche dem Zweck des Winteraustreibens und der Partnervermittlung. Die katholische Kirche wiederum feiert im Marienmonat Mai die berühmten Maiandachten zu Ehren der heiligen Gottesmutter.

So weit, so gut. Aber gerade an dieser Stelle muss einmal darauf hingewiesen werden, dass der Mai trotz seiner Verdienste allgemein überbewertet wird. Enttäuschend verlief in Berlin schon der erste revolutionäre Mai, Schutztag Josefs des Arbeiters, Tag der Arbeit. Das immer wieder schöne Bild der vielen roten Fahnen am Heinrichplatz in Kreuzberg konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass einerseits versteinerte Rituale diesen Tag belasten, andererseits eine Verrohung der Sitten zu beobachten ist.

Der alte Maibrauch, zur Vertreibung des Winters brennende Strohräder von Bergen herabzurollen, wurde dieses Jahr allzu undogmatisch als Kleinwagenabbrennen in die Moderne übersetzt. Da sollten auf der Autonomenschule auch Sonderkurse für unpolitisch-erlebnisorientierte Jugendliche angeboten werden, in denen die Grundregeln des Straßenkampfs in leicht verständlicher Form vermittelt werden. Kleine Merksätze wie „Es sagt das Zündel-Abc: Nur Mercedes-Porsche-BMW“ , und Benimmregeln wie „Die guten Militanten verschonen die Passanten“ könnten da ethische Grundsätze vermitteln.

Die kriegerische Tradition des 1. Mai reicht zwar lange zurück, so wurden ja bereits im Mittelalter Ritter-und Turnierfeste an diesem Tag begangen, trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass der revolutionäre 1. Mai inzwischen unter einem starken Imageproblem leidet. Durch einen Umzug der Maifestivitäten könnte ein wenig Abwechslung geschaffen werden. So bieten die Rosenhöfe in Mitte genug Glas, ließen sich dort doch tiefere Symbole des verhassten Kapitalismus als die geschundene Bushaltestelle am Mariannenplatz finden. Und gibt es nicht irgendwo in Mitte diese berühmten verschachtelten Hinterhöfe, die sich als Kulisse für strategische Spiele geradezu aufdrängen?

Aber nicht nur der revolutionäre Mai enttäuschte, auch der Designmai konnte nicht so richtig überzeugen und brachte dem Clubleben bislang keine große Bereicherung.

Die Natur an sich tut ja, was sie kann. Es grünt, es blüht, sprießt, knospt, treibt, wächst und pollt, die Maiglöckchen schlagen aus, nicht zu verwechseln mit dem Bärlauch, der ebenfalls im Mai seine Knoblauchschwaden durch die Wälder schickt. Unter den Bäumen riecht es betörend, fast wie ein billiges H&M-Parfüm. Aber abgesehen davon bringt der Mai leider nicht viel Neues. Der Blumenladen, vom Namen her doch der Maiclub an sich, musste leider schließen, und ob das etwas gewollt wirkende Lesecafé Eggers und Landwehr am Rosa-Luxemburg-Platz eine echte In-Location wird, muss sich noch weisen.

Einiges steht uns ja noch bevor in diesem Monat. Der Tag der Befreiung ist gerade vergangen, und der Muttertag ist nicht mehr weit. Die Eisheiligen und die kalte Sophie liegen dann noch vor uns, aber erst wenn Christi Himmelfahrt mit den Gemeinschaftsausflügen besoffener Väter überstanden ist, neigt sich der stressige Frühlingsmonat endlich seinem Ende zu.

CHRISTIANE RÖSINGER