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Archiv-Artikel

Heimaturlaub mit Grenzüberschreitung

Gabi Bangel betreut das Projekt „Deutschland per Rad entdecken“, das 150 ausgewählte Routen präsentiert

Der Trend zum Fahrradurlaub in Deutschland scheint ungebrochen – zumindest für die Einheimischen selbst. Vor allem beliebt: die Radfernwege an Weser, Donau, Elbe und der Ostseeküste sowie die Regionen Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Münsterland. Das hat die Radreiseanalyse 2003 ergeben, die der ADFC kürzlich präsentierte

taz: Radeln in der Heimat – attraktiver als auf Sardinien oder in Andalusien?

Gabi Bangel: Viele Regionen hier zu Lande bemühen sich verstärkt um die Fahrradtouristen. Die Radwege führen durch reizvolle Gegenden, sind zumindest autoarm. Und immer mehr Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe entdecken ihr Herz für Radler, allein 3.300 haben sich dem Label „Bett & Bike“ angeschlossen. Radler genießen einen Sympathiebonus, erfahren eine radfreundliche Stimmung – ganz anders als etwa in Italien oder Spanien, wo man mit radtouristischen Bedürfnissen nichts anzufangen weiß.

Führt wirklich jeder Radfernweg durch quasi unberührte Natur? Ist die viel befahrene Bundesstraße nicht zu häufig in Sicht- und Hörweite?

So was gibt es immer weniger. Im Radfernwegebau erleben wir derzeitig eine echte Qualitätsoffensive. Zur Verbesserung trägt auch unser Projekt bei: Wir fordern die Radtouristen auf, die Touren zu bewerten und zu sagen, was ihnen nicht gefallen hat. Die Unterschiede zwischen den Routen sind heute eher bedingt durch die zielgruppenorientierte Ausrichtung. Die Vechtetalroute zum Beispiel verbindet Kunstobjekte, die Römerroute historische Sehenswürdigkeiten, andere sind mehr fürs sportliche Radfahren gedacht.

Wer das gemütliche Radeln mit Biergarten-Stopps bevorzugt, sollte demnach MTB-Routen vermeiden?

„Deutschland per Rad entdecken“ präsentiert drei ausgesprochene MTB- Regionen: den Schwarzwald, das saarländische St. Wendeler Land und die Bike Arena Sauerland. Dort findet man jeweils ein Netz mit Strecken ganz unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, also auch die Version „Mountainbiking light“. Und immer auch Biker-freundliche Gastronomie.

Und wenn Deutschland doch nicht reicht?

Dann sind Radtouristen bestens auf den grenzüberschreitenden Radrouten aufgehoben. Morgens im Bayerischen Wald frühstücken, abends die tschechischen Knödel genießen. Zur sanften Mobilität gehört der sanfte Grenzverkehr innerhalb Europas.

In den großen Städten haben sich Radreisende bisher nicht allzu lange aufgehalten. Liegt’s an der ihnen nicht genehmen Infrastruktur?

Auch das ändert sich gerade. In Städten wie Berlin, Potsdam, Dresden, Bonn oder Hamburg – um nur einige zu nennen – gibt es Stadtführungen per Velo und entsprechendes Info-Material. Die radtouristische Eroberung der Städte ist nicht mehr aufzuhalten.

INTERVIEW: HELMUT DACHALE