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Mode und Gewicht

Liebe deinen Bauch

Paul spießt das letzte der fünf hauchzarten Tunfischstückchen auf. Das Popcorn lässt er unberührt. Was das für eine Kombination sei, Popcorn und Tunfisch, will er vom Kellner im Literaturhaus wissen. Der zuckt mit den Schultern, grinst und serviert ab. „Ich bin dick geworden“, sagt Paul. Ich sehe ihn an und nehme einen Schluck Rotwein.

Am Abend zuvor hatte ich mich nach dem vierten Bier erst wieder an dem Gespräch beteiligt, als ich nach meiner Meinung gefragt wurde. Es ging um die Linkspartei, ich brabbelte etwas von Haider. Dann knabberte ich Smarties von der Torte. „Mir passen die Anzughosen nicht mehr“, sagte Stefan. Er hatte sich schick gemacht, er habe einmal genauso schick sein wollen wie Markus. So aber habe es gewichtsbedingt nur für die Variante Deutschlehrer gereicht: Jeans, Hemd, Pulli, Sakko. Markus hingegen in Anzughose und weißem Hemd verweigerte Tiramisu und Torte, er müsse aufpassen. Und erzählte die Geschichte von einer gesprengten Hose. „Schwarzenegger wirst du eh keiner mehr“, erwiderte ein Partygast.

Daran dachte ich, als ich die Frau in der seltsamen Blumenbluse sah. Wir waren noch ins Picknick gefahren, ich wollte tanzen. Stefan holte Bier und sagte: „Draußen ist es nicht so laut.“ Wir gingen hinaus, beobachteten eine junge Frau in einem türkisfarbenen Zottelkleidchen, redeten über Lammfelle, schließlich sprach ich über die geblümte Bluse einer Frau: „Vor zehn Jahren hätte ich das auch noch anziehen können“, sagte ich. „Blumen tragen auf.“

Jetzt ist der Kellner wieder da. Noch immer grinsend erklärt er uns, in der Küche sei wohl Popcorn übrig gewesen. Paul sieht mich an. Dann sagt er: „Ich finde Bauchtanz übrigens großartig.“

CHRISTINE ZEINER

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