: „Wir wollen keine linke Schill-Partei sein“
Interview mit dem Duisburger Marc Mulia, Initiator der „Wahlalternative“, über die Enttäuschung im Ruhrgebiet nach fünfeinhalb Jahren rot-grüner Bundesregierung, kritisches Wählerpotenzial im Revier und Chancen einer Linkspartei
taz: Sie sind einer der Initiatoren der „Wahlalternative“. Welche Chancen hätte eine neue Linkspartei an Rhein und Ruhr?Marc Mulia: Eine linke Alternative hätte hier gute Chancen. Im Ruhrgebiet ist die Enttäuschung über die Politik der rot-grünen Bundesregierung besonders groß. Das Scheitern der Regierung bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und die unsozialen Reformen des letzten Jahres haben viele Menschen verbittert.
Wo ist die politische Marktlücke einer Linkspartei? Im Ruhrgebiet gibt es neben der Sozialdemokratie noch relativ starke Grüne, mancherorts ist sogar die PDS aktiv.
Man muss sich einfach die Wahlergebnisse der letzten Jahre anschauen. In zahlreichen Stadtteilen des Ruhrgebiets nimmt nur noch die Hälfte der Wählerinnen und Wähler am demokratischen Prozess teil. Viele Menschen haben sich von den Regierungsparteien SPD und Grüne abgewendet. Und die PDS ist im Kern eine Ostpartei geblieben und steht nicht für eine breite gesellschaftliche Opposition.
Wie wollen Sie die Revier-Wähler mobilisieren?
Was diese Wählerinnen und Wähler wollen, ist eine Alternative zur Agenda-Politik. Für ein progressives, finanzierbares Politikangebot gibt es ein Wählerpotenzial – auch im Ruhrgebiet.
Mit welchen Inhalten wollen Sie im Revier Unterstützung gewinnen?
Kernpunkt muss die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch ein steuerfinanziertes Investitionsprogramm sein. Davon würden vor allem marode Ruhrgebietsstädte wie Gelsenkirchen oder Duisburg profitieren. Die Mittel für ein derartiges Programm könnten aus einer wieder eingeführten Vermögenssteuer kommen.
Politik vermittelt sich über Personen. Ihre Partei hat in der Öffentlichkeit noch kein Gesicht.
Noch sind wir ja keine Partei. Wir befinden uns mitten in den Vorbereitungen. Am 6. Juni wird in Berlin ein Kongress von Interessenten stattfinden, wo über das weitere Vorgehen beraten wird. Im übrigen wollen wir keine linke Schill-Partei sein mit einem starken Anführer. Prominente Linke sind willkommen, Oskar Lafontaine könnte ja den Kreisverband Saarbrücken leiten.
Welche Resonanz haben Sie bisher aus Nordrhein-Westfalen bekommen?
Unsere Internetseite www.wahlalternative.de ist erst seit kurzem online, und wir haben bereits Rückmeldungen von 2.000 Interessierten erhalten. Auch in NRW ist das Interesse groß. Rund die Hälfte der Reaktionen kam von linken Gewerkschaftern oder enttäuschten Sozialdemokraten.
Ist auch ein Antreten bei der NRW-Landtagswahl 2005 möglich?
Nein, wir wollen uns erstmal auf die Bundesebene konzentrieren. Unser Wählerpotenzial dürfte bei mindestens 20 Prozent liegen. INTERVIEW: MARTIN TEIGELER