: „Benneter? Das bestgekleidete Stück Seife!“
Karl-Heinz Hansen, unbeugsamer Linker und SPD-Dissident, gründete bereits in den 80er-Jahren eine neue Linkspartei. Das ging schief. Aber er würde es sofort wieder tun, sagt er
INTERVIEW DANIEL SCHULZ
taz: Herr Hansen, würden Sie heute wieder aus der SPD austreten und eine eigene Partei gründen?
Karl-Heinz Hansen: Natürlich, sofort. Diese derzeitige Unrechtspolitik würde ich nicht mittragen. Allein Klaus Uwe Benneter wäre schon ein Grund, die Partei zu verlassen.
Benneter? Wieso?
Links sein, deshalb aus der SPD rausgeschmissen werden und sich dann wieder einschleimen. Der ist echt das bestgekleidete Stück Seife, das heute in Deutschland rumläuft.
Seife?
Ja, er ist schmierig. Ich könnte es aber noch deutlicher sagen.
Ist der neue Generalsekretär Benneter symptomatisch für die SPD?
Ja, die Partei ist eine Partei der Opportunisten. Als ich 1981 aus der Partei ausgeschlossen wurde, lief ich im Bundestag an eisigen Gesichtern vorbei. Sogar an denjenigen, die mich vorher für die Kritik an der Partei beklatscht haben. Das ist eine Art negative Parteidisziplin. Wer nicht mehr drin ist, der ist wirklich draußen. Und die SPD ist obrigkeitshörig. Wenn Franz Müntefering heute sagen würde, einige Ortsverbände sollen sich zum Wohle der Partei auflösen, dann würden die das machen.
In der SPD gibt es auch Linke.
Sie sind eine Karikatur dessen, was wir damals mit dem Leverkusener Kreis gegründet haben. Da war Coppik drin und auch Heide Simonis, das waren Linke. Jedenfalls so lange, bis Coppik und ich die SPD verlassen haben.
Man könnte auch sagen, Sie sind ein unverbesserlicher Radikaler und Spalter.
Ich habe mich immer an die Parteiprogramme gehalten. Das ist doch das Witzige, dass die gültigen Parteiprogramme der SPD nie umgesetzt wurden. Was die SPD antreibt, ist die Angst vor dem Machtverlust. Damals unter Helmut Schmidt genauso wie heute. Das unterscheidet sie von der CDU: Die kennen die Macht und sehen das gelassener. Die Sozialdemokraten krallen sich bis zur Peinlichkeit daran fest. Auf Parteitagen hat der damalige Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner mehrmals gesagt: Es geht hier nicht um Parteitagsbeschlüsse, sondern darum, an der Regierung zu bleiben.
Ihre Theorie hat einen Fehler: Die SPD verliert Wähler durch ihre Taktik. Nicht gerade hilfreich, um an der Macht zu bleiben.
An der Macht ist doch die SPD sowieso nicht, sie stellt nur die Regierung. Die wirklich Herrschenden aus der Wirtschaft benutzen sie jetzt als Vehikel, und die SPD lässt sich benutzen. Aber sie hofft eben durch Geschlossenheit, zu überleben und an der Regierung zu bleiben. Damals unter Schmidt war das ja genauso: Die SPD war nur dazu da, die Gewerkschaften ruhig zu halten. Dann kam der Fußtritt.
Sehen Sie noch mehr Parallelen zwischen der Zeit, als Sie aus der SPD ausgetreten sind, und heute?
Viele frappierende. Auch damals war die SPD mit hohen Ansprüchen angetreten, die sie dann nach und nach fallen gelassen hatte. Sie bewegte sich immer weiter nach rechts und wurde immer mehr zu einer Kapitalpartei, wie die anderen Parteien auch. Die Leute, die sich damals davon abgestoßen fühlten, waren die gleichen wie heute. Die DS wurde ja auch in der Hauptsache von Gewerkschaftern und Wissenschaftlern gegründet. Mit einem Unterschied: Die Chance, eine erfolgreiche Linkspartei zu gründen, ist heute besser.
Warum?
Schmidt wurde einfach zu früh von CDU und FDP gegangen. Zwei Jahre länger, und auch wir wären eine große Partei geworden. Also eine von der Größe der PDS oder der Grünen. Aber Gerhard Schröder wird nicht abtreten, er wird weitermachen. Und das gibt einer neuen Linkspartei eine große Chance auf Erfolg.
Sehr viel Erfolg war Ihnen damals nicht beschieden.
Das kommt immer darauf an, wie man Erfolg misst. Zu Coppiks und meiner Zeit war der Bundestag noch das Parlament und nicht Sabine Christiansen. Er war eine Agitationsplattform, die wir genutzt haben. Deshalb wurde über uns viel berichtet, wir haben Aufmerksamkeit erregt. Über die PDS dagegen liest, sieht und hört man heute nichts.
Nach 1983 hat man von Ihnen auch nicht mehr viel gehört, oder?
Wir wurden zwar beide nicht wieder in den Bundestag gewählt. Aber die DS hat tiefe Spuren hinterlassen. Die politischen Diskussionen, die wir geführt und ausgelöst hatten, haben das Bewusstsein der Jugendlichen aufgemöbelt. Das hält bis heute an.
Erfolgreich sein besteht nicht darin, in die komfortablen Verliese des Bundestags einzuziehen, wenn man durch Aktionen Aufmerksamkeit erregen und die Leute wachrütteln kann.
Die SPD-Abweichler von heute denken darüber nach, ob sie eine Bürgerinitiative bleiben und keine Partei gründen.
Damals wie heute gibt es berechtigterweise Misstrauen gegen die verkrusteten Parteien, zu denen man bald nach der Gründung schnell gehören kann. Dann ist man eine Truppe zum Bereitstellen von Jublern.
Also sollte die neue Bewegung so eine Art SPD-Attac werden?
Nein, auf keinen Fall. So wichtig Attac auch ist, ihre Handlungsfähigkeit ist eingeschränkt: zu viele Gruppen, ein zu umfassendes und unklares Programm. Eine neue Linkspartei bräuchte ein Programm von wenigen, aber klar formulierten Punkten, die eine Gegenposition beziehen zu denen der SPD. Sie zu finden ist nicht schwer. Außerdem muss sich die Initiative von Trittbrettfahrern abgrenzen, die eine neue Linkspartei nur für ihre eigenen Zwecke benutzen wollen.
Ist die DS daran gescheitert?
Nein, aber wir hätten auf linke Chaoten besser achten sollen, die uns als Wirtstier benutzten: Trotzkisten, Marxisten oder gewisse Feministinnen, die in jeden Beschluss ihre Forderungen reindrückten – auch wenn sie gar nicht zum Thema passten. So kann eine Partei selbstverständlich nicht funktionieren.
Ihr Rat für die Linkspartei-Gründer von heute?
Sie sollten stärker die Verbindung zu anderen Protestbewegungen suchen, als wir das getan haben. Es gibt noch mehr unzufriedene Gewerkschafter und Betriebsräte, die sie einbinden können. Und sie brauchen eine Sprecherfigur mit Charisma. Bisher gibt es die nicht, aber sie findet sich sicher. Vor allem aber müssten sich diese beiden Initiativen vereinigen, bevor sie eine Partei gründen. Sonst endet das wie bei uns und den Grünen.
Dann wäre wenigstens eine erfolgreich.
Ja, aber zusammen ist man stärker.
Die Grünen sind ja aus Lust an der Veränderung entstanden, die echten SPD-Abspaltungen aus Frust über Veränderungen. Oder?
Mit dem Fruststigma müssen die Linkspartei-Initiatoren fertig werden. Wie wir damals auch. Das ist nicht zu ändern. Wir sind ja auch nicht freiwillig aus der SPD ausgetreten. Wir wollten bleiben und etwas verändern.
Mit den derzeitigen Abweichlern wurde angeblich vor dem Schiedsverfahren nicht geredet. Haben Brandt und Wehner mit Ihnen gesprochen, bevor Sie rausflogen?
Ja, sicher. Sie haben uns stundenlang ins Gebet genommen. Naja, man nannte uns die Vierer-Bande, wir hätten es beinahe geschafft, die Antiterrorgesetze zu Fall zu bringen, da die sozialliberale Koalition nur fünf Stimmen mehr hatte. Wir mussten zu Willy Brandt und Egon Bahr, der dabei ja immer was getrunken hat, und wurden dann beackert. Auch Wehner suchte nach Dissidenten, rief aber nicht öffentlich so plump zur Denunziation auf, wie das heute passiert. Er war Stalinist und hatte andere Methoden.
Als Sie ausgeschlossen wurden, haben Sie sich als Held gefühlt?
Nein, diese Euphorie habe ich nie verspürt. Ich glaube auch nicht, dass sie die Linkspartei-Initiatoren von heute verspüren. Ich wollte ja in meiner Partei etwas verändern. Deshalb habe ich gekämpft, um drin zu bleiben. Von daher ist Manfred Coppik ein edlerer Mensch als ich. Er ist aus Solidarität mitgegangen, als ich rausgeworfen wurde. Sonst hätte er noch eine große Zukunft gehabt: Heide Simonis ist heute Ministerpräsidentin.
Der heutige Kanzler Schröder hat Sie damals im Parteiausschlussverfahren verteidigt. War er gut?
Ja. Wenn ich sein Plädoyer heute lese und ihn dann sehe, muss ich lachen. Aber Kanzler wird man eben nicht mit Prinzipien.
Wenn eine neue Linkspartei Sie fragen würde, ob sie mitmachten – würden Sie?
Sofort. Aber ich bin ein Freund des klaren Worts. Vielleicht wäre ich eher schädlich für sie.