Seit an Seit gegen Trittin

Stahlarbeiter, IG Metall und NRW-SPD demonstrieren im Ruhrgebiet gegen die Klimaschutzpläne des grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin

Kein Stahl ohne Kohlenstoff – man kann die Naturgesetze nicht ändern, findet die IG Metall

VON KLAUS JANSEN

Die Stahlarbeiter des Ruhrgebiets sind Fans von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Im gesamten Ruhrgebiet ergriffen gestern Stahlarbeiter und Gewerkschafter Partei für ihren ehemaligen Ministerpräsidenten und gegen die Pläne des Bundesumweltministers Jürgen Trittin (Grüne), der sich vor dem Hintergrund der neuen Klimaschutzrichtlinien der Europäischen Union für eine weitere Reduzierung der Kohlendioxidemissionen einsetzt. Würden die Pläne umgesetzt, befürchtet die IG Metall , dass allein in der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie bis zu 5.000 Arbeitsplätze verloren gehen.

„Stahlproduktion geht nicht ohne Kohlenstoff, und da haben wir das Minderungspotenzial bereits ausgeschöpft“, begründet Wolfgang Nettelstroth, Sprecher der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, den Widerstand gegen die Trittin-Pläne. Naturgesetze ließen sich schließlich nicht ändern. Deshalb fordert die Gewerkschaft, so genannte „prozessbedingte Emissionen“ von der Minderungspflicht auszuklammern. Mindestens 65 Millionen Tonnen Kohlendioxid müsse die Stahlindustrie deutschlandweit pro Jahr ausstoßen können dürfen, ansonsten müsse die Produktion gedrosselt werden. Trittin wollte zunächst nur 17 Tonnen erlauben. „So gehen wir an die industrielle Substanz“, sagt Nettelstroth. Vor allem für den Stahlstandort NRW sei dies katastrophal: „Denn wenn die Stahlproduktion geht, dann geht mittelfristig die Automobilindustrie hinterher“, prophezeit der Gewerkschafter.

Unterstützt werden die Metaller von ihren Arbeitgebern – auch wenn die nicht gleich mit auf die Straße gehen wollten. „Wir begleiten das wohlwollend, wenn auch nicht physisch“, sagt Beate Brüninghaus von der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsvereinigung Stahl. So blieb das Demonstrieren den Arbeitern vorbehalten: In Dortmund legten am frühen Morgen rund 350 Mitarbeiter der Westfalenhütte von Thyssen-Krupp kurzzeitig die Arbeit nieder. Der größte Stahlarbeitgeber kündigt an, im Falle von Klimaschutzverschärfungen 1.200 Jobs streichen zu müssen. Auch in Bochum, Witten und im siegerländischen Kreuztal fanden Protestkundgebungen statt.

Zum Abschluss des Aktionstags erwarteten die Gewerkschafter 2.000 Teilnehmer an traditionsreicher Stätte: In Duisburg-Rheinhausen wollten die Arbeiter eine „Brücke der Solidarität“ über den Rhein spannen – als Reminiszenz an die großen Arbeitskämpfe der achtziger Jahre. „Nachdem Rheinhausen verschwunden ist, darf nicht der ganze Stahl verschwinden“, findet Metaller Nettelstroth.

Bei so viel Pathos konnte auch die NRW-SPD nicht widerstehen, sich mit den Stahlarbeitern gegen den grünen Koalitionspartner zu solidarisieren: Das Parteipräsidium wollte geschlossen an der Kundgebung teilnehmen. „Seit an Seit“ mit der Gewerkschaft wolle man um Arbeitsplätze kämpfen, hatte SPD-Generalsekretär Michael Groschek am Wochenende verkündet.

Das ärgert den Koalitionspartner im Landtag: „Das ist ein Kesseltreiben gegen den Bundesumweltminister“, findet der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Reiner Priggen. Tritin sei das Opfer davon, dass die SPD im Schulterschluss mit den Gewerkschaften ihre „Seele balsamieren“ wolle. „Das ist grotesk,“ findet Priggen. „Das heißt doch nichts anderes als: Vergesst Kyoto.“