: Kampf dem tödlichen Winkel
Nachdem letzte Woche zwei Radfahrer starben, appelliert Senator Strieder ans Fuhrgewerbe: Firmen sollen vierten Außenspiegel montieren, der erst ab 2006 Pflicht wird. ADFC stellt neues Modell vor
von CHRISTIAN VATTER
„Man müsste mal die Radfahrer aufklären, dass sie sich nicht neben einen Lastwagen begeben, der ist nun mal stärker“, sagt man bei Barth-Umzüge in Berlin. Deren Fahrzeuge sind mit drei rechten Außenspiegeln ausgestattet. Edelgard Wormke von Barth: „Wir planen nicht, da was zu verändern.“ Auch mit einem vierten Spiegel habe man als Fahrer noch einen toten Punkt. „Sollen doch die Radfahrer mal bei Rot halten.“
In den Niederlanden ist seit dem ersten Januar 2003 ein vierter Außenspiegel für alle Lastwagen ab 3,5 Tonnen Pflicht. In Deutschland reichen momentan nur drei. Ab 2006 muss in ganz Europa ein vierter Spiegel installiert werden, aber nur für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen. Nach zwei tödlichen Radunfällen allein in der letzten Woche fragt sich so mancher, ob das nicht viel zu spät ist. Gestern appellierte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) an die Berliner Fuhrgewerbe, freiwillig einen vierten Außenspiegel an der rechten Seite anzubauen.
Bei Robben und Wientjes – dem bekannten Lastwagen-Verleih – sind die Fahrzeuge mit zwei Außenspiegeln ausgestattet. Verliehen werden Fahrzeuge bis zu 7,5 Tonnen. „Die zwei Spiegel decken aber den Seitenbereich relativ gut ab“, betont Ulrich Wientjes. Er hält nichts davon, ohne verkehrstechnische Untersuchungen weitere Spiegel zu installieren. „Ein vierter Spiegel bringt eine weitere Sichtverdeckung durch sich selbst – das ist auch gefährlich.“
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) forderte gestern vom Bundesverkehrsminister, sofort zu handeln und nicht auf die EU-Regelung zu warten. Landesvorsitzender Benno Koch: „2002 sind in Deutschland 538 Fahrradfahrer im Straßenverkehr gestorben.“ Bis zu 50 Prozent dieser Fälle seien auf das Problem des toten Winkels zurückzuführen. In Berlin seien es im vergangenen Jahr sieben Menschen gewesen, die bei solchen Unfällen starben. Jetzt müsse ein Bundesgesetz her.
Der ADFC präsentierte gestern in Berlin den „Toter-Winkel-Spiegel“ (DOBLI), der in den Niederlanden ab 3,5 Tonnen Pflicht ist – ein anderes Modell, als die EU einführen will: „Der nach EU-Recht vorgeschriebene Spiegel verbessert die Sicht des Fahrers nur um 19 Prozent“, erklärte der Mitentwickler des vorgestellten Dobli-Spiegels Wilm van Waes. Sein Spiegel verbessere die Sicht stattdessen um 34 Prozent – und das bei einem toten Winkel, der im Schnitt 38 Prozent des Fahrersichtfeldes ausmacht.
Van Waes’ Sohn wurde 1997 in den Niederlanden von einem Lastwagen beim Rechtsabbiegen tödlich erfasst. Er entwickelte daraufhin mit einem Fahrlehrer den Dobli. Die niederländische Regierung schrieb den Spiegel ab 2003 vor. Schon in der Einführungsphase seien die Toter-Winkel-Unfälle um 42 Prozent zurückgegangen. Der Dobli wird im Gegensatz zu herkömmlichen Außenspiegeln an der Frontscheibe installiert. Koch vom ADFC betonte, dass ein solcher Spiegel nicht mehr koste als der nach EU-Recht geplante.
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